Osterempfang im Bundeskanzleramt für die Kirchen und Religionen
Vierter Fastensonntag und Gründung einer neuen Pfarre in Mattighofen
Sonntag der Kreuzverehrung in der Kirche zum Heiligen Georg in Wien
Zweiter Fastensonntag. Gedächtnis des hl. Gregor Palamas, Erzbischof von Thessaloniki. Doxologie zum Jahrestag der Unabhängigkeit Griechenlands in der Kathedrale zur Heiligen Dreifaltigkeit in Wien.
Fastenhirtenbrief von Patriarch Bartholomaios I.

Hirtenbrief zum Beginn der heiligen großen vierzigtägigen österlichen Fastenzeit 2024

+ Bartholomaios

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,

und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche

Gnade und Friede von Christus, unserem Erlöser,

von uns aber Fürsprache, Segen und Vergebung

Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, im Herrn gesegnete Kinder!

Die Gnade des Gottes der Liebe hat uns wieder erlaubt, in die heilsame Zeit des Triodions einzutreten und die Heilige und Große Fastenzeit zu erreichen, die Zeit des asketischen Ringens voller himmlischer Gaben und jener Freude, die Kreuz und Auferstehung miteinander verbindet. In dieser gesegneten Zeit treten der geistliche Reichtum und die Dynamik des kirchlichen Lebens sowie die Heilsbedeutung all seiner Ausdrucksformen deutlich hervor.

Viel haben wir bereits gelernt über den ausweglosen und selbstgerechten Stolz des Pharisäers, über den unfruchtbaren Moralismus und die Hartherzigkeit des älteren Sohnes im Gleichnis vom verlorenen Sohn, über die Gefühllosigkeit und Verurteilung derer, die sich nicht um die Hungrigen, Durstigen, Fremden, Nackten, Kranken und Gefangenen, die „geringsten Brüder“ des Richters kümmerten. Und uns allen wurde der Wert und die Kraft der Demut und der Umkehr, der Vergebung und der Barmherzigkeit offenbart - Haltungen, zu deren Pflege uns die Kirche in der anbrechenden Zeit eindringlich aufruft.

Die Heilige und Große Fastenzeit ist eine willkommene Zeit der geistigen, seelischen und körperlichen Reinigung und Übung, die, wie wir im vorhin gelesenen Abschnitt des Evangeliums gehört haben, im Fasten, das "nicht vor den Augen der Menschen" gehalten werden soll, und in der den Brüdern gewährten Vergebung - "Wenn ihr den Menschen ihre Sünden vergebt, so vergibt euch auch euer himmlischer Vater"[i] - durchschritten wird. Dies wiederum bekennen wir täglich im Vaterunser, wenn wir sagen: „… wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“.[ii]

Am gestrigen Samstag der Woche der Milchspeise gedachte die Kirche der heiligen Männer und Frauen, „die in der Enthaltsamkeit erstrahlten“. Die Heiligen sind nicht nur Vorbilder für die Gläubigen im guten Kampf des Lebens in Christus und nach den Geboten Christi, sondern auch Begleiter, Freunde und Helfer im asketischen Kampf des Fastens, der Umkehr und der Demut. Wir sind in unserem Bemühen nicht allein; wir haben Gott, der uns bejaht und segnet, und die Heiligen und Märtyrer, die uns beistehen; vor allem aber haben wir eine Fürsprecherin für uns alle bei dem Herrn, die erste unter den Heiligen, die Gottesgebärerin. Heiligkeit ist ein Kennzeichen der Macht der Gnade Gottes und der Mitwirkung des Menschen in der Kirche durch die Teilnahme an den heiligen Sakramenten und die Befolgung der göttlichen Gebote. Es gibt keine „mühelose Frömmigkeit“ und kein „einfaches Christentum“, keine „weite Pforte“ und keinen „breiten Weg“ zum Himmelreich.[iii]

Die Kirche erinnert uns immer wieder daran, dass die Erlösung kein individuelles, sondern ein kirchliches Geschehen, ein gemeinsames Ringen ist. In der gottbehüteten Heiligen und Großen Fastenzeit erweist sich die Teilnahme am Leben der Gemeinschaft, an der christlichen Familie, an der Pfarrgemeinde oder der klösterlichen Gemeinschaft als von entscheidender Bedeutung für das geistliche Leben der Gläubigen. Wir möchten gern die Rolle der christlichen Familie als Lebensgemeinschaft für die Erfahrung der Spiritualität der Großen Fastenzeit hervorheben. Unser Vorgänger, der heilige Johannes Chrysostomus, nannte die Familie eine „kleine Kirche“.[iv] In der Familie vollzieht sich in der Tat die Kirchwerdung unserer Existenz, entwickelt sich der Sinn für den sozialen und gemeinschaftlichen Charakter des menschlichen Lebens und des Lebens in Christus, werden die Liebe, die gegenseitige Achtung und Solidarität, das Leben und die Freude am gemeinschaftlichen Leben als göttliches Geschenk erfahren. Das gemeinsame Bemühen, die kirchliche Regel und das Ethos des Fastens im Kontext der Familie zu realisieren, unterstreicht den charismatischen Charakter des asketischen Lebens und im weiteren Sinne die Gewissheit, dass alles Wahre, Ehrbare und Gerechte in unserem Leben von oben kommt; dass es, trotz unseres Mitwirkens und eigenen Beitrags letztlich das Menschenmögliche und das menschliche Maß übersteigt. Andererseits lassen die Gemeinschaftlichkeit des Lebens, die selbstlose Liebe zueinander und die Bereitschaft zur Vergebung keinen Raum für Anspruchsdenken und Selbstgefälligkeit. Ausdruck dieses Geistes der „geteilten Freiheit“ und der eucharistischen Askese ist die untrennbare Verbindung von Fasten, Nächstenliebe und Teilnahme am gemeinschaftlichen und liturgischen Leben der Kirche. Die Erfahrung der spezifischen Stimmung der Fastenzeit in der christlichen Familie führt in die Tiefe der Wahrheit kirchlicher Erfahrung und ist Wiege und Ausgangspunkt des christlichen Zeugnisses in der modernen säkularisierten Gesellschaft.

Betet, meine Brüder und Kinder, dass wir alle die Heilige und Große Fastenzeit mit göttlichem Eifer, mit Fasten und Umkehr, mit Gebet und Andacht begehen, Frieden schließen mit uns selbst und untereinander, das Leben teilen und uns in Taten der Nächstenliebe als „Nächste“ derer erweisen, die in Not sind, dass wir einander verzeihen und in allem den überhimmlischen Namen des barmherzigen Gottes preisen, indem wir Ihn bitten, uns zu schenken, mit klarem Verstand zur Heiligen Großen Woche zu gelangen und mit Freude und Jubel Seine leuchtende Auferstehung zu verehren.

Heilige und Große Fastenzeit 2024

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel

Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

 

[i] Mt 6,14

[ii] Mt 6,12

[iii] Vgl. Mt 7,13-14

[iv] Johannes Chrysostomus, Kommentar zum Epheserbrief, PG 62,143.

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen 2023

+ B A R T H O L O M A I O S
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Erbarmen und Friede
von Christus, unserem in Bethlehem geborenen Erlöser

 

In Gott geliebte Mitbrüder, im Herrn geliebte Kinder,

dank göttlichen Wohlgefallens feiern wir auch in diesem Jahr wieder „in Psalmen, Hymnen und geistlichen Liedern“ die Geburt des vorewigen Sohnes und Wortes Gottes, also die Offenbarung des Mysteriums Gottes und des Menschen. Der heilige Nikolaos Kabasilas sagt, die Handlungen der Göttlichen Liturgie seien „eine Mystagogie der Menschwerdung des Herrn“ und die Anfangsdoxologie „Gepriesen sei das Reich des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ bezeuge, „dass die Menschen erst durch die Menschwerdung des Herrn gelernt hätten, dass Gott in drei Personen existiere“ . Dieser Kirchenvater verkündet, dass unser Herr und Erlöser Jesus Christus uns „als Erster und Einziger den nach seinen Sitten, nach seinem Leben und in jeder anderen Hinsicht wahren und vollkommenen Menschen“ gezeigt habe .

Die Annahme der menschlichen Natur in der Person des Sohnes und Wortes Gottes und die Eröffnung des Weges der Vergöttlichung aus Gnade verleihen dem Menschen eine unübertreffliche Würde. Das Vergessen dieser Wahrheit führt zu einer Minderung des Respektes vor der menschlichen Person. Die Leugnung der hohen Bestimmung des Menschen befreit ihn nicht nur nicht, sondern führt zu vielen Verkürzungen und Spaltungen. Ohne das Bewusstsein seiner göttlichen Herkunft und die Hoffnung auf die Ewigkeit gelingt es dem Menschen kaum, menschlich zu bleiben, und er ist nicht in der Lage, mit den Widersprüchen seines Menschseins umzugehen.

Das christliche Verständnis der menschlichen Existenz hält die Lösung für jene Probleme bereit, die von Gewalt, Krieg und Ungerechtigkeit in unserer Welt verursacht werden. Der Respekt vor der Person, der Friede und die Gerechtigkeit sind zwar eine Gabe Gottes, doch das Stiften des von Christus gespendeten Friedens erfordert die Teilnahme und die Mitwirkung der Menschen. Die christliche Position im Kampf für den Frieden ist durch die Worte Christi, des Erlösers, begründet, der uns das Evangelium des Friedens verkündet, mit dem Wort „Friede sei euch!“ grüßt und den Menschen gebietet, ihre Feinde zu lieben . Die in Christus geschehene Offenbarung wird als „Evangelium des Friedens“ charakterisiert. Das bedeutet: Für uns Christen ist der Weg zum Frieden der Friede. Gewaltlosigkeit, Dialog, Liebe, Verzeihung und Versöhnung haben Vorrang vor anderen Formen der Lösung von Differenzen. Deutlich umreißt der Text des Ökumenischen Patriarchates „Für das Leben der Welt. Auf dem Weg zu einem Sozialethos der Orthodoxen Kirche – 2020“ diese Theologie des Friedens: „Nichts widerspricht mehr dem Willen Gottes für die Geschöpfe, die nach seinem Bild und Gleichnis geformt sind, als Gewalt gegeneinander… Letzten Endes können wir mit Recht sagen, dass Gewalt die Sünde par excellence ist. Sie ist der vollkommene Widerspruch zwischen unserer geschaffenen Natur und unserer übernatürlichen Berufung, in Liebe die Vereinigung mit Gott und unserem Nächsten zu suchen... Frieden ist eine wirkliche Offenbarung der tieferen Wirklichkeit der Schöpfung, wie Gott sie beabsichtigt und wie Gott sie in seinen ewigen Ratschlüssen gestaltet hat“ .

Der Friede ist nicht vorgegeben und selbstverständlich, sondern Aufgabe, Leistung, andauernde Bemühung und unablässiger Kampf, ihn zu bewahren. Es gibt keine Automatismen und keine bleibenden Rezepte. Gegenüber den jeweiligen Bedrohungen des Friedens sind Wachsamkeit und der Wille zu einer Lösung der Probleme durch Dialog erforderlich. Die großen Helden der Politik sind die Kämpfer für den Frieden. Wir betonen weiterhin die friedensstiftende Rolle der Religionen in einer Zeit, in der Religionen dafür kritisiert werden, dass sie, anstatt Mächte des Friedens, der Solidarität und der Versöhnung zu sein, den Fanatismus und die Gewalt „im Namen Gottes“ nähren. Dabei handelt es sich um eine Entfremdung des religiösen Glaubens und nicht um ein ihm inhärentes Phänomen. Der wahre Glaube an Gott ist der schärfste Gegner des religiösen Fanatismus. Die Religionen sind die natürlichen Bundesgenossen aller Menschen, die für den Frieden, die Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung vor einer menschengemachten Katastrophe kämpfen.

Die Menschheit ehrt in diesem Jahr den 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (10. Dezember 1948), die eine Zusammenstellung der grundlegenden humanistischen Vorstellungen und Werte ist – „das gemeinsame Ideal, das alle Völker und Nationen erstreben sollen“. Die Menschenrechte, deren Ausgangspunkt der Schutz der Menschenwürde und ihrer individuellen, gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen ist, werden in ihrer ursprünglichen Dynamik verstanden, sofern sie als Fundament und Maßstab des weltumfassenden Friedens, den sie mit der Freiheit und der Gerechtigkeit verbinden, anerkannt werden.
In diesem Sinn ist die Zukunft der Menschenrechte und des Friedens mit dem Beitrag der Religionen zu ihrer Respektierung und Durchsetzung verbunden.

Mit diesen Gedanken und festlichen Empfindungen und in der absoluten Gewissheit, dass das Leben der Kirche von vorneherein im Gegensatz zur Unmenschlichkeit, woher sie auch rührt, steht, rufen wir Euch alle zu dem guten Kampf für die Errichtung einer Kultur des Friedens und der Versöhnung auf, wo der Mensch im Mitmenschen den Bruder und Freund und nicht den Gegner und Feind sieht; wir erinnern Euch alle, Mitbrüder Bischöfe und Kinder im Herrn, daran, dass Weinachten der Augenblick der Selbsterkenntnis und Dankbarkeit, der Offenbarung des Unterschiedes zwischen Gottmensch und „Menschgott“, der Bewusstwerdung des „großen Wunders“ der Freiheit in Christus und der Heilung der „großen Wunde“ der Entfremdung von Gott ist; wir beugen dankbar das Knie vor der Gottesmutter Maria, die das Fleisch gewordene Wort in ihren Armen hält; wir erteilen Euch den Segen der Mutterkirche, der Heiligen Großen Kirche Christi, und wünschen Euch ein glückliches, gesundes, fruchtbares, friedliches und von Freude erfülltes neues Jahr der Güte des Herrn.

Weihnachten 2023

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel,
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

Hirtenbrief zum Tag der Bewahrung der Schöpfung 2018

Protokoll-Nr. 738

+ Bartholomaios
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche
Gnade und Friede von dem Schöpfer der ganzen Schöpfung,
unserem Herrn, Gott und Erlöser Jesus Christus

Brüder und Kinder im Herrn!

Schon 29 Jahre sind vergangen, seitdem die Heilige Große Kirche Christi das Fest des kirchlichen Neujahrs als „Tag des Schutzes der Umwelt“ etabliert hat. In all diesen Jahren hat das Ökumenische Patriarchat viele Aktivitäten inspiriert und initiiert, die zahlreiche gute Früchte hervorgebracht und das geistliche Umweltpotenzial unserer orthodoxen Tradition manifestiert haben.

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Osterbotschaft 2018 Seiner Allheiligkeit des Ökumenischen Patriarchen

Protokoll-Nr. 312

+ Bartholomaios,
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen
von Christus, dem in Herrlichkeit auferstandenen Erlöser

Geliebte Brüder und Kinder im Herrn!

Die Erfahrung der Auferstehung Christi, des alle errettenden Sieges also des Lebens über den Tod, ist der Kern des Glaubens, des Gottesdienstes, der Moral und der Kultur des orthodoxen Christenvolkes Gottes. Das Leben der orthodoxen Gläubigen wird in all seinen Aspekten und Dimensionen vom Glauben an die Auferstehung durchtränkt und gespeist. Es ist ein tägliches Osterfest. Dieses österliche Erleben ist nicht einfach nur eine Erinnerung an die Auferstehung des Herrn, sondern auch die Erfahrung unseres eigenen Neu-Werdens und die unerschütterliche Gewissheit, dass alles in der Endzeit vollendet wird.

Insbesondere in der eucharistischen Liturgie, die unlösbar mit dem „ersehnten und heiligen Tag“, dem Sonntag, verbunden ist, feiert die Orthodoxe Kirche diese existentielle Teilhabe an der Auferstehung Christi und erfährt den Vorgeschmack der Segnungen des Reiches Gottes. Beeindruckend ist der österliche und freudige Charakter der Feier der Eucharistie, die stets in einer Atmosphäre der Freude und des Jubels vollzogen wird und die endzeitliche Erneuerung alles Seienden, die Erfüllung der Freude, die Fülle des Lebens und den künftigen Überschwang der Liebe und der Erkenntnis darstellt.

Dies ist die erlösende Sicht der Gegenwart im Licht der letzten Dinge und des dynamischen Weges zum Reich, es ist die unauflösliche Verbindung und Verwobenheit des gegenwärtigen mit dem endzeitlichen Charakter der uns in Christus geschenkten Erlösung des Menschen und der Welt - eine Sicht, die dem kirchlichen Leben seine einzigartige Dynamik verleiht und die Gläubigen zu einem guten Zeugnis in der Welt anfacht. Der orthodoxe Gläubige hat einen besonderen Grund und ein starkes Motiv dafür, das Böse in der Gesellschaft zu bekämpfen, denn er erlebt in besonderem Maß den Widerspruch zwischen den letzten Dingen und den jeweiligen Gegebenheiten der Geschichte. In orthodoxer Sicht sind der Dienst am Mitmenschen, die Hilfe, die den bedrängten Geschwistern gemäß dem Herrenwort „Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir getan“(Mt 25,40) – gewährt wird, und die tatkräftige Liebe des Guten Samariters (s. Lk 10,30-37) - gemäß dem Wort des Kirchenvaters „Den halte für den Nächsten, der deiner bedürftig ist, und eile aus eigenem Antrieb, ihm zu helfen“ (Isidor von Pelusium) – die Verlängerung und der Ausdruck des eucharistischen Ethos der Kirche; sie sind die Offenbarung, dass die Liebe die gelebte Quintessenz des Lebens in Christus ist, bereits in diesem Leben ebenso wie im endzeitlichen Reich Gottes.

In diesem Zusammenhang versteht man auch, dass das liturgische Leben in der orthodoxen Kirche von der Erfahrung der „gemeinsamen Erlösung“, der Gabe der „gemeinsamen Freiheit“ und des „gemeinsamen Reiches“ und von der Erwartung der „gemeinsamen Auferstehung“ durchdrungen ist. Es herrscht das „wir“ vor, nämlich die Gemeinsamkeit des Lebens, die gemeinsame Teilhabe und das gemeinsame Sein, dies ist heilsame Identifizierung der in Christus geschenkten Freiheit mit der sich aufopfernden und lobpreisenden Liebe. Das ist auch die überwältigende Botschaft der festlichen Ikone der Auferstehung, des Abstiegs Christi in das Reich des Todes. Der Herr der Herrlichkeit, der in die tiefste Tiefe der Erde hinabsteigt und die Pforten des Hades zertrümmert, ersteht siegreich und hell strahlend aus dem Grab, nicht nur mit dem Siegesbanner, sondern mit Adam und Eva, die Er mit sich auferweckt, stützt und aufrichtet - und durch sie die ganze Menschheit und die gesamte Schöpfung.

Das Evangelium der Auferstehung, des „gemeinsamen Festes aller“, der allvermögenden Liebe, die die Macht des Todes gebrochen hat, ertönt heute in einer Welt, die erfüllt ist von sozialer Ungerechtigkeit und der Missachtung der menschlichen Person. Es erklingt in einer Welt, die für Flüchtlinge und ungezählte unschuldige Kinder zum Golgotha geworden ist. Dieses Evangelium der Auferstehung proklamiert unerschütterlich, dass das Leben der Menschen vor Gott absolute Würde hat. Es verkündet, dass die Leiden und Nöte, dass das Kreuz und Golgotha nicht das letzte Wort haben. Es kann nicht sein, dass die Peiniger über ihre tragischen Opfer obsiegen. Zwar befindet sich in der orthodoxen Kirche das Kreuz im Mittelpunkt der Frömmigkeit, doch ist es nicht die letzte Wirklichkeit und bestimmt auch nicht das Endziel der Ausrichtung des kirchlichen Lebens. Die eigentliche Bedeutung des Kreuzes besteht darin, dass es zur Auferstehung, also zur Fülle unseres Glaubens führt. Mit dieser Begründung rufen wir Orthodoxe aus: „Siehe, durch das Kreuz ist Freude gekommen in die ganze Welt!“ Es ist bezeichnend, dass in der orthodoxen Kirche die Feier der Leiden Christi im Passionsgottesdienst keinen ausgesprochenen Trauercharakter trägt, sondern Kreuz und Auferstehung miteinander verbindet. Denn das Leiden erschließt sich uns, wird uns erfahrbar durch die Auferstehung, die uns „von der Trauer erlöst“. In der orthodoxen Wahrnehmung ist die unauflösliche Verbindung von Kreuz und Auferstehung unvereinbar mit jeder Form von Introversion und Flucht in Mystizismen oder in einen selbstgefälligen Pietismus, die zumeist gegenüber den Leiden und Gefährdungen des Menschen in der Geschichte indifferent sind.

Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung steht heutzutage auch im Gegensatz zur arroganten Selbstvergötzung des zeitgenössischen Menschen, der säkularisiert, rationalistisch, von der Allmacht der Wissenschaft überzeugt, egozentrisch und dem Irdischen und Zeitlichen verhaftet und ohne Sehnsucht nach der Ewigkeit ist; sie ist gleichermaßen konfrontiert mit der Ablehnung der Menschwerdung und des gesamten Heilshandelns Gottes sowie des „Ärgernisses“ des Kreuzes, die im Namen der absoluten Transzendenz Gottes und der unüberbrückbaren Kluft zwischen Himmel und Erde vertreten wird.

Ehrwürdige Brüder und geliebte Kinder im Herrn,

deshalb rufen wir orthodoxe Gläubige, erfüllt mit der Erfahrung der lichtstrahlenden Auferstehung, die wir das Licht vom abendlosen Licht empfangen, die wir Gott in allem danken und die Sinne zum Himmel erheben, da wir bereits hier des Angelds und der Zusage der endzeitlichen Fülle des göttlichen Heilshandelns teilhaftig sind, in der Kirche den österlichen Gruß „Christus ist auferstanden!“ und bitten: Der Herr, der gelitten hat, ins Grab gelegt wurde und auferstanden ist, möge unseren Verstand, unser Herz und unser ganzes Leben erleuchten, unsere Schritte lenken zu jedem guten Werk und Sein Volk stärken, dass es das Evangelium der Liebe „bis an der Welt Ende“ (Apg. 1,8) bezeuge, zur Ehre Seines „über jeden Namen“ erhabenen Namens.

Phanar, Ostern 2018
+ Bartholomaios von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter bei Christus, dem Auferstandenen

Hirtenbrief zur Großen Vierzigtägigen Österlichen Fastenzeit 2018

Protokoll-Nr. 169

Hirtenbrief zum Beginn der heiligen großen vierzigtägigen österlichen Fastenzeit

+ Bartholomaios
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche
Gnade und Friede von Christus, unserem Erlöser,
von uns aber Fürsprache, Segen und Vergebung.

Einen Dankeshymnus singen wir dem Dreieinigen Gott dafür, dass er uns gewürdigt hat, wiederum an die Schwelle der Heiligen Großen Fastenzeit zu gelangen, um den guten Kampf der Enthaltsamkeit zu kämpfen und uns dem „Einen, das notwendig ist“ (vgl. Lk 10,42) zuzuwenden.

Inmitten einer askesefeindlichen Welt und angesichts der heutigen Entsakralisierung des Lebens und der Vorherrschaft individualistischer und eudämonistischer Konzepte besteht die orthodoxe Kirche auf der vierzigtägigen Zeit geistlicher Kämpfe und Enthaltsamkeit zur Vorbereitung ihrer Kinder auf die heilige Große Woche, Christi Leiden und Kreuz, damit wir Augenzeugen und Teilhaber seiner ruhmreichen Auferstehung sein können.

In der Großen Fastenzeit sind wir aufgerufen, das Handeln des Dreieinigen Gottes in Schöpfung und Erlösung tiefer zu erfahren und uns bewusster in die eschatologische Ausrichtung des kirchlichen und geistlichen Lebens zu begeben. Wir erkennen die tragische Ausweglosigkeit in der Selbsterlösungsrhetorik des Pharisäers, in der Hartherzigkeit des älteren Sohnes im Gleichnis vom Verlorenen Sohn und in der gefühllosen Gleichgültigkeit im Angesicht von Hunger, Durst, Nacktheit, Krankheit und Verlassenheit in der Perikope vom Gericht. Wir werden angehalten, die Reue und die Demut des Zöllners nachzuahmen, ebenso wie die Heimkehr des Verlorenen Sohnes ins Haus des Vaters und das Vertrauen auf Seine Gnade, weiterhin denjenigen, die den Bedürftigen Barmherzigkeit erweisen, und das Leben des Gebetes, das der hl. Gregorios Palamas geführt hat, die Askese des hl. Johannes Klimakos und der hl. Maria von Ägypten – all dies bestärkt durch die Verehrung der heiligen Ikonen und des ehrwürdigen Kreuzes. So gerüstet mögen wir dem aus dem Grab auferstandenen Spender des Lebens, Christus, persönlich begegnen.

In dieser gesegneten Zeit offenbart sich uns besonders einprägsam das gemeindliche und das gemeinschaftliche Wesen des geistlichen Lebens. Wir sind nicht allein. Wir stehen nicht als Einzelne vor Gott. Wir sind keine Versammlung von Individuen, sondern eine Gemeinschaft von Personen, für die „Sein“ „Gemeinsam Sein“ bedeutet. Askese ist kein individuelles, sondern ein kirchliches Geschehen, ein kirchliches Handeln, die Teilhabe des Gläubigen am Mysterium und an den Mysterien der Kirche, Kampf gegen die Eigenliebe, Ausüben der Liebe zu den Mitmenschen, eucharistischer Gebrauch der Schöpfung, ein Beitrag zur Verwandlung der Welt. Askese ist eine gemeinsam geübte Freiheit und Tugend; ein gemeinsames Gut, ein gemeinsam geübter Gehorsam gegenüber der Ordnung der Kirche. Wir fasten nicht nach Maßgabe unserer individuellen Wünsche, sondern wir richten uns nach dem Maß, das die Kirche uns setzt. Unser asketisches Bemühen vollzieht sich im Rahmen unserer Beziehungen zu den anderen Gliedern des Leibes der Kirche, als Teilhabe an denjenigen Geschehnissen und Handlungen, die die Kirche zur Gemeinschaft des Lebens machen, als „die Wahrheit in Liebe“ (vgl. Eph 4,15). Die orthodoxe Spiritualität ist untrennbar mit der Teilhabe am ganzen liturgischen Leben der Kirche, das in der Göttlichen Eucharistie gipfelt, verbunden. Sie geht aus der Kirche hervor und realisiert sich zugleich als Kirche.

Die Rennbahn der Großen Fastenzeit ist keine Zeit einer religiös bedingten Euphorie und demonstrativer Emotionen. Spiritualität im orthodoxen Sinn ist keine Hinwendung zum Geist oder zur Seele, die von einer dualistischen Geringschätzung der Materie und des Leibes ausgeht. Spiritualität ist eine Durchdringung unseres ganzen Seins, des Geistes, des Verstandes und des Willens, unserer Seele und unseres Leibes, unseres ganzen Lebens durch den Heiligen Geist, der ein Geist der Gemeinschaft ist. Spiritualität bedeutet insofern Verkirchlichung unseres Lebens, ein Leben, das vom Parakleten inspiriert und geleitet wird, wirkliche Geistträgerschaft, die unsere eigene freie Mitwirkung, unsere Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche und einen Gott gemäßen Lebenswandel voraussetzt.

Hochgeehrte Brüder und im Herrn geliebte Kinder,

Es gibt keine wahre Spiritualität, die keine Früchte brächte. Wer Gott wahrhaft liebt, liebt auch den Nächsten, den Fernsten und die ganze Schöpfung. Diese „nie versagende“ (vgl. 1 Kor 13,8) opfermütige Liebe ist ein eucharistisches Handeln, Fülle des Lebens auf Erden, Vorgeschmack und Wahrheit der Vollendung. Unser orthodoxer Glaube ist eine Quelle unerschöpflicher Dynamik, er befähigt zu geistlichen Kämpfen, zu Gott und die Menschen liebendem Handeln, zu überreichem Ertrag zum Wohl der Welt. Glaube und Liebe sind in der Kirche eine einheitliche und untrennbare Erfahrung des Lebens. Die Askese, die in der durch den Heiligen Geist bewirkten Gemeinschaft der Kirche realisiert wird, das Fasten und die Menschenliebe sind ein Bollwerk gegen die Degenerierung der Religion und die Umwandlung der ursprünglich kirchlichen Frömmigkeit in eine unfruchtbare Introversion und Individualisierung.

Der Geist Gottes weht unablässig in der Kirche. Gott ist immer „mit uns“. An den heiligen Tagen der Großen Fastenzeit sollen wir unseren asketischen Einsatz gegen eine selbstsüchtige Gesinnung verstärken – „beharrlich im Gebet“ (Röm 12,12), „demütig im Geist und voll Erbarmen“ (Altvater Poimen) der Liebe zum Guten ergeben und barmherzig, einander verzeihend und einander durch die Liebe verbunden, Gott, den Geber des Guten, verherrlichend und Ihm dankend für seine reichen Gaben. „Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit! Siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“ (2 Kor 6,2)

Indem wir Euch dieses verkünden, rufen wir die Kraft, die von oben kommt, auf Euch herab, damit wir alle glühenden Geistes und frohen Mutes die Heilige Große Fastenzeit als Gottes Gabe empfangen; wir bitten darum, „dass unser Lauf im Stadion des Fastens unbehindert sei“, und erteilen unseren ehrwürdigen Brüdern in Christus und den geliebten Kindern der Heiligen Großen Kirche Christi in der ganzen Welt unseren patriarchalen Segen.

Heilige Große Fastenzeit 2018
+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartolomaios I. 2017

Protokollnummer: 1123

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen 
+ B A R T H O L O M A I O S
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Erbarmen und Friede
von Christus, unserem in Bethlehem geborenen Erlöser

 Im Herrn geliebte Brüder und Kinder,

durch Gottes Gnade wurden wir wiederum gewürdigt, das große Fest der leiblichen Geburt des göttlichen Wortes zu feiern. Es ist in die Welt gekommen, um uns das vollkommene Leben,[1] die Befreiung von Sünde, von der Versklavung durch die Werke des Gesetzes und vom Tod zu schenken; um uns das wahre Leben und jene große Freude zu schenken, „die niemand von uns nehmen kann“.[2]

Wir empfangen „den vollkommenen Gott“,[3] den „die Liebe der Erde gebracht hat“,[4] den der uns „näher ist als wir selbst“.[5] Das sich seiner Gottheit entäußernde Wort steigt zu seinem in die Irre gegangenen Geschöpf herab, indem es sich „unsagbar und unfassbar erniedrigt“.[6] Der, den kein Raum umfassen kann, geht ein in den Schoß der Jungfrau. Der Große wohnt im Kleinen. Dieses große Hauptstück unseres Glaubens, dass der überwesentliche Gott „auf übermenschliche Weise Mensch geworden ist“,[7] bleibt ein „nicht offenbartes“ Mysterium. „Das große Mysterium der göttlichen Menschwerdung bleibt für immer ein Mysterium.“[8] 

Dieses fremdartige und wunderbare Ereignis, „das seit ewigen Zeiten und Geschlechtern verborgene Mysterium“,[9] ist das Fundament der gnadenhaften Vergöttlichung des Menschen. „In keinem anderen ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen gerettet werden“.[10] Das ist die höchste Wahrheit zur Rettung des Menschen. Wir gehören zu Christus. Alles ist in Christus geeint. In Christus wird unsere der Verwesung preisgegebene Natur neu gebildet; wird die Ebenbildlichkeit wiederhergestellt und jedem Menschen der Weg zur Ähnlichkeit Gottes gebahnt. Weil das göttliche Wort die menschliche Natur angenommen hat, weil die göttliche Vorsehung und die Rettung allen gemeinsam ist, ist auch der Grund für die Einheit des Menschengeschlechts gelegt. Doch wird nicht allein die Menschheit, sondern die gesamte Schöpfung erlöst. Wie der Fall der Stammeltern die ganze Schöpfung mit sich ins Verderben reißt, so betrifft auch die Menschwerdung des Sohnes und Wortes Gottes die gesamte Schöpfung. „Die Schöpfung ist befreit und die ehedem Verfinsterten erscheinen als Söhne des Lichts.“[11] Der hl. Basilius fordert uns auf, Christi heilige Geburt als das „die ganze Schöpfung umfassende Fest“, und als „den Geburtstag der Menschheit zur Rettung der Welt“[12] zu feiern.

Das „Christus wird geboren“ ertönt leider wiederum in einer Welt, die von Gewalt, gefährlichen Spannungen, sozialer Ungleichheit und der Missachtung der grundlegenden allgemeinen Menschenrechte erfüllt ist. Im Jahr 2018 sind es 70 Jahre seit der weltweiten Proklamation der allgemeinen Menschenrechte. Nach der furchtbaren Erfahrung und den Katastrophen des Zweiten Weltkriegs hat diese Proklamation die grundlegenden hohen Ideale propagiert, die alle Völker und alle Staaten der Erde uneingeschränkt respektieren müssen. Allerdings setzt sich die Missachtung dieser Proklamation fort. Vielfältige Missbräuche und intendierte Missdeutungen der Menschenrechte unterminieren ihren Rang und ihre Realisierung. Weiterhin gilt, dass wir weder gegenwärtig noch zukünftig aus der Geschichte Lehren ziehen wollen. Weder die tragischen Erfahrungen von Gewalt, noch die Schändung der menschlichen Person, noch die Bekräftigung hoher Ideale konnten die Fortsetzung von Gewaltausübung und Kriegen, den Machthunger und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen verhindern. Aber natürlich konnten auch die Kraft technischer Mittel, die herausragenden Errungenschaften der Wissenschaft oder der wirtschaftliche Fortschritt die soziale Gerechtigkeit und den vielersehnten Frieden nicht herbeiführen. Im Gegenteil; in unserer Zeit wächst das Wohlstandsdenken der Besitzenden und zerstört die Globalisierung die Bedingungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Friedens.

Die Kirche kann diese Bedrohungen der menschlichen Person unmöglich ignorieren. „Denn nichts ist in dem Maße heilig wie der Mensch, an dessen Natur Gott Anteil genommen hat.“[13] Wir kämpfen für den Menschen, für den Schutz der Freiheit und der Gerechtigkeit, im Wissen darum, „dass der wahre Friede von Gott kommt“[14] und dass das unbegreifliche Mysterium der Inkarnation des Wortes Gottes und der gnadenhaften Vergöttlichung des Menschen die Wahrheit über seine Freiheit und seine göttliche Bestimmung offenbart.

Wir leben in der Kirche die Freiheit; jene Freiheit, die Christus uns gibt; die Freiheit, die darin besteht, in Christus zu leben; die Freiheit, die uns zu Christus führt. Zum Kern dieser Freiheit gehört die Liebe, „die nicht das Ihre sucht“;[15] die Liebe, die „aus einem reinen Herzen entspringt“.[16] Während der selbstgesetzliche, der nach eigenem Gutdünken lebende und sich selbst genügende, der sich selbst vergöttlichende und sich selbst glücklich schätzende Mensch um sich selbst und seine individuelle selbstgefällige Glückseligkeit kreist und den Mitmenschen als Beschränkung seiner Freiheit betrachtet, richtet sich die Freiheit in Christus auf den Bruder, auf den Nächsten, und gibt der Wahrheit Zeugnis in der Liebe. Die Sorge des Gläubigen besteht nicht darin, seine Rechte einzufordern, sondern in Demut und Dankbarkeit „die Weisungen Christi zu erfüllen“.[17]

Diese Wahrheit des Lebens in Christus, der Gerechtigkeit als Liebe und der Liebe als Gerechtigkeit, ist der Grundstein und die Garantie für die Zukunft der Menschheit. Wenn wir uns auf dieses in Gott gegründete Ethos stützen, können wir die großen Herausforderungen der Gegenwart, die nicht nur das Leben in Fülle, sondern sogar das Überleben der Menschheit bedrohen, meistern. Die Wahrheit des „Gottmenschen“ als Antwort auf den zeitgenössischen „Menschen-Gott“ und als Nachweis seiner ewigen Vorherbestimmung hat auch das Heilige und Große Konzil der Orthodoxen Kirche (Kreta 2016) betont: „Die orthodoxe Kirche stellt dem zeitgenössischen „Menschen-Gott“ den „Gottmenschen“ als letztes Maß aller Dinge gegenüber: ‚Wir sagen nicht, der Mensch sei Gott, sondern Gott sei Mensch geworden‘.[18] Sie – die orthodoxe Kirche – offenbart die rettende Wahrheit des Gottmenschen und Seinen Leib, die Kirche, als Ort und Weise des Lebens in Freiheit, als das ‚Die-Wahrheit-in-Liebe-Bezeugen‘[19] und als schon auf Erden gewährte Teilhabe am Leben des auferstandenen Christus“.[20]

Die Inkarnation des Wortes Gottes ist die Vergewisserung und die Gewissheit, dass Christus selbst die Geschichte als Weg zum Reich Gottes am Ende der Zeiten führt. Natürlich war der Weg der Kirche zum Reich Gottes, der nicht fern und unabhängig von der geschichtlichen Realität, ihren Widersprüchen und Wandlungen verläuft, niemals ein Weg ohne Beschwernisse. Inmitten dieser bezeugt die Kirche die Wahrheit und vollzieht ihr Werk der Heiligung, der Seelsorge und der Verklärung der Welt. „Denn die Wahrheit ist ein Pfeiler und eine Grundfeste der Kirche … Die Kirche ist ein Pfeiler der bewohnten Welt … und sie ist ein Mysterium, das groß ist und ein Mysterium der Frömmigkeit“.[21]

Brüder und Kinder im Herrn,

lasst uns in von Jubel und Freude erfülltem Wohlgefallen an dem Wort Gottes, das unter uns Wohnung genommen hat, die Feste der heiligen zwölf Tage begehen. Wir erbitten Euch vom Phanar aus, der Fleisch gewordene und zum Menschengeschlecht herabgestiegene Herr und Erlöser schenke in dem neuen Jahr seiner Güte allen Gesundheit an Seele und Leib, Frieden und gegenseitige Liebe; er bewahre unversehrt seine heilige Kirche und segne die Werke ihres Dienstes, auf dass sie Seinen überheiligen und überaus gepriesenen Namen verherrliche.

Weihnachten 2017

+ Bartholomaios von Konstantinopel, euer aller inständiger Fürbitter bei Gott


[1] Gregor d. Theologe, 38. Rede (PG 36,313).

[2] Joh 10,18.

[3] Doxastikon der Aposticha der Großen Vesper von Christi Geburt.

[4] Nikolaos Kabasilas, Vom Leben in Christus, 6. Kap. (PG 150,657).

[5] A.a.O. (PG 150,660).

[6] Johannes von Damaskus, De Fide Orthodoxa 3,1 (PG 94,984).

[7] Maximos der Bekenner, Theologische und Heilsgeschichtliche Centurien, 1. Centurie 12 (PG 90,1184).

[8] A.a.O.

[9] Kol 1,26.

[10] Apg 4,12.

[11] Jambische Katavasien von Theophanie, 8. Ode.

[12] Basilius der Große, Rede über Christi Geburt (PG 31,1472-73).

[13] Nikolaos Kabasilas, s.o. (PG 150,649).

[14] Johannes Chrysostomos, Homilien zum Ersten Korintherbrief, 1. Homilie (PG 61,14).

[15] 1 Kor 13,5.

[16] 1 Tim 1,5.

[17] Theotokion der Aposticha der Ainoi vom 12. Oktober.

[18] Johannes von Damaskus, De Fide Orthodoxa 3,2 (PG 94,988).

[19] Vgl. Eph 4,15.

[20] Enzyklika des Heiligen und Großen Konzils der Orthodoxen Kirche, § 10.

[21] Johannes Chrysostomos, Homilien zum Ersten Timotheusbrief, 11. Homilie (PG 62,554).

Gemeinsame Botschaft von Papst Franziskus und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung 2017

Der Schöpfungsbericht gewährt uns einen herrlichen Rundblick über die Welt. Die Heilige Schrift offenbart, dass Gott „im Anfang“ wollte, dass die Menschheit bei der Erhaltung und Bewahrung der natürlichen Umwelt mitarbeite. Zu Beginn, wie wir im Buch Genesis lesen, „gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen; denn Gott, der Herr, hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen und es gab noch keinen Menschen, der den Erdboden bearbeitete“ (Gen 2,5). Die Erde wurde uns anvertraut als ein erhabenes Geschenk und Vermächtnis, für das wir alle gemeinsam Verantwortung tragen, bis „am Ende“ in Christus alles zusammengeführt wird, alles, was im Himmel und auf Erden ist (vgl. Eph 1,10). Unsere menschliche Würde und unser Wohlergehen sind tief mit unserer Sorge um die ganze Schöpfung verbunden.

In der „Zwischenzeit“ zeigt uns die Weltgeschichte jedoch ein ganz anderes Bild. Es offenbart ein Szenario im moralischen Verfall, in dem unsere Haltung und unser Benehmen gegenüber der Schöpfung unseren Ruf als Mitarbeiter Gottes verdunkeln. Unsere Neigung, das feine und ausgewogene Ökosystem zu stören, unsere unersättliche Lust, die begrenzten Ressourcen des Planeten zu manipulieren und zu kontrollieren, und unsere Gier nach grenzenlosem Gewinn an den Märkten – all das hat uns dem ursprünglichen Ziel der Schöpfung entfremdet. Wir achten die Natur nicht mehr als ein gemeinsames Geschenk; stattdessen betrachten wir sie als einen privaten Besitz. Wir verbinden uns nicht mit der Natur, um sie zu erhalten; stattdessen herrschen wir über sie, um unsere eigenen Konstrukte abzusichern.

Die Folgen dieser abweichenden Weltsicht sind tragisch und dauerhaft. Die menschliche Lebenswelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam und dieser Verfall des Planeten lastet auf seinen verwundbarsten Bewohnern. Die Auswirkung des Klimawandels betrifft vor allem jene, die in Armut im letzten Winkel dieser Welt leben. Unsere Verpflichtung, die Güter der Erde verantwortungsbewusst zu gebrauchen, beinhaltet die Anerkennung und die Achtung gegenüber allen Menschen und allen Lebewesen. Der dringende Aufruf und die Aufgabe, für die Schöpfung Sorge zu tragen, sind eine Einladung an alle Menschen, auf eine nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung hinzuwirken.

Wir sind in derselben Sorge um die Schöpfung Gottes verbunden und bekennen, dass die Erde ein gemeinsames Gut ist. Daher laden wir eindringlich alle Menschen guten Willens ein, am 1. September eine Zeit dem Gebet für die Umwelt zu widmen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir dem liebenden Schöpfer für das großherzige Geschenk der Schöpfung Dank sagen und ihm unseren Einsatz für ihren Schutz und ihre Bewahrung um der künftigen Generationen willen versprechen. Schließlich wissen wir, dass wir vergeblich arbeiten, wenn nicht der Herr uns zur Seite steht (vgl. Ps 127), wenn das Gebet nicht im Zentrum unserer Reflexion und Feier steht. Ein Ziel unseres Gebets ist nämlich, unsere Wahrnehmung der Welt zu verändern, um unsere Beziehung zur Welt zu erneuern. Das Ziel unseres Versprechens ist, uns mutig eine größere Einfachheit und Solidarität in unserem Leben zu eigen zu machen.

Wir richten einen dringenden Appell an die gesellschaftlichen und ökonomischen wie auch politischen und kulturellen Verantwortungsträger, den Schrei der Erde zu hören und sich um die Nöte der an den Rand Gedrängten zu kümmern. Ganz besonders sollen sie aber auf die Bitte von Millionen antworten und den Konsens der Welt zugunsten der Heilung unserer verwundeten Schöpfung unterstützen. Wir sind überzeugt, dass es keine echte und nachhaltige Lösung zur Veränderung der ökologischen Krise und des Klimawandels gibt, wenn wir keine übereinstimmende und gemeinsame Antwort geben, wenn wir nicht zusammen Verantwortung und Rechenschaft übernehmen, wenn wir nicht der Solidarität und dem Dienst den Vorzug geben.

Aus dem Vatikan und dem Phanar, am 1. September 2017

Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios

Hirtenbrief von Seiner Allheiligkeit Patriarch Bartholomaios zum Tag der Bewahrung der Schöpfung 2017

Protokoll-Nr. 702 

+ Bartholomaios
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche
Gnade und Friede von dem Schöpfer der ganzen Schöpfung,
unserem Herrn, Gott und Erlöser Jesus Christus

Im Herrn geliebte Geschwister und Kinder,

Durch Gottes Gnade treten wir heute in ein neues Kirchenjahr ein und fahren fort, «durch den, der uns geliebt hat»[1] gemeinsam Zeugnis und Rechenschaft abzulegen von der «Hoffnung, die in uns ist»[2], da wir in der Kirche leben, in Christus und gemäß Christus, der uns verheissen hat, «alle Tage bis an der Welten Ende»[3] bei uns zu sein.

Es sind 28 Jahre Jahre vergangen seitdem das Ökumenische Patriarchat den Synodalbeschluss gefasst hat, dass der Tag des kirchlichen Neujahrs als «Tag der Schöpfung» gefeiert werden soll, an dem wir in diesem Zentrum der Orthodoxie Gebete und Fürbitten «für die gesamte Schöpfung» verrichten. Die entsprechende Patriarchal-Enzyklika rief damals die orthodoxe und die übrige chtistliche Welt dazu auf, dass an diesem Tage Dankgebete «für das große Geschenk der Schöpfung»[4], und Bittgebete für ihren Schutz an den Schöpfer aller Dinge gerichtet werden sollen.

Wir bringen die Freude und die Genugtuung unserer geringen Person für das Echo und den reichen Ertrag dieser Initiative der Kirche von Konstantinopel zum Ausdruck. Wir haben die spirituellen Wurzeln der ökologischen Krise und die Notwendigkeit der Umkehr und der Neuordnung der Werte des heutigen Menschen aufgezeigt. Es hat sich erwiesen, dass die Ausbeutung und die Zerstörung der Schöpfung eine Verfälschung und Veränderung zum Bösen des christlichen Ethos darstellt und keineswegs eine notwendige Folge des biblischen Auftrags «Wachset und mehret euch»[5], dass das umweltfeindliche Verhalten eine Beleidigung des Schöpfers und eine Missachtung seiner Gebote bedeutet und der wahren Bestimmung des Menschen widerspricht. Es kann keine nachhaltige Entwicklung zulasten der geistigen Werte und der Umwelt geben.

Die Große Kirche Christi, das Ökumenische Patriarchat, hat das umweltfreundliche Potential unseres orthodoxen Glaubens stets hervorgehoben und tut dies weiterhin. Sie empfiehlt den eucharistischen Gebrauch der Schöpfung, das Handeln des Gläubigen als eines «Priesters» der Schöpfung, der sie ohne Unterlass dem Schöpfer aller Dinge darbringt, und sie betont den unübertroffenen Wert des asketischen Geistes als Gegenmittel zum derzeit vorherrschenden Konsumstreben. Denn in der Tat gehört der respektvolle Umgang mit der Schöpfung zum Kern der orthodoxen Tradition.

Besonders beunruhigend ist die Tatsache dass, obwohl offensichtlich ist, dass die ökologische Krise ständig wächst, die Menschheit sich zugunsten des ökonomischen Wachstums und des technischen Fortschritts taub stellt, wenn es um den Ruf nach einer radikalen Veränderung unseres Handelns gegenüber der Schöpfung geht. Es ist offensichtlich, dass die fortschreitende Veränderung der Umwelt die Folge eines konkreten ökonomischen Fortschrittsdenkens ist, das keinerlei Rücksicht auf seine umweltfeindlichen Auswirkungen zeigt. Der kurzfristige Nutzen, der durch den Anstieg des Lebensstandards in bestimmten Gegenden der Welt erzielt wird, kaschiert die unvernünftige Ausbeutung und Schändung der Schöpfung. Eine ökonomische Aktivität, die das Haus des Lebens nicht respektiert, ist keine «Haushalterschaft», sondern eine «Hausspalterschaft». Die zügellose Ökonomisierung im Zuge der Globalisierung geht einher mit dem rapiden Fortschritt der Wissenschaft und der Technologie, die trotz vieler positiver Ergebnisse von einem Hochmut gegenüber der Natur geprägt ist und zu vielfältiger Ausbeutung derselben führt. Der heutige Mensch weiß, aber er handelt, als ob er nicht wisse. Er weiß, dass die Natur sich nicht ständig regeneriert, aber ist gleichzeitig indifferent gegenüber den negativen Folgen des «Technopols» für die Umwelt. Diese wirklich explosive Mischung aus zügelloser Ökonomisierung und grenzenlosem Vertrauen in die Fähigkeiten der Wissenschaften und der Technologie vergrößert die Gefahren für die Bewahrung der Schöpfung und den Menschen.

Das Heilige und Große Konzil der Orthodoxen Kirche hat eindeutig und klug die Gefahren der «Verselbständigung der Ökonomie» benannt, ihrer Loslösung also von den essentiellen Bedürfnissen der Menschen, die nur in einer lebensfähigen Umwelt befriedigt werden können und hat eine Ökonomie vorgeschlagen, «die auf den Prinzipien des Evangeliums gegründet ist»[6], sowie den Umgang mit der derzeitigen Umweltkrise «auf der Grundlage der Prinzipien der christlichen Tradition»[7]. Die Tradition der Kirche fordert angesichts der derzeitigen Bedrohungen einen «radikalen Wandel des Denkens und des Handelns» gegenüber der Schöpfung, eine asketische Einstellung der «Genügsamkeit und der Enthaltsamkeit»[8], angesichts der «Unersättlichkeit»[9], der «Vergöttlichung der Bedürfnisse und des Besitzergreifens»[10]. Das Heilige und Große Konzil hat sich auch dezidiert zu den «sozialen Dimensionen und den tragischen Konsequenzen der Zerstörung der natürlichen Umwelt»[11] geäußert.

Wir folgen den Beschlüssen dieses Konzils und unterstreichen im vorliegenden Hirtenbrief den engen Zusammenhang zwischen den Umwelt- und den sozialen Problemen und ihren gemeinsamen Ursprung im «törichten Herzen» des Menschen, der fern von Gott ist, im Sündenfall und in der Sünde, im Missbrauch der gottgegebenen Freiheit des Menschen. Der Zerstörung der Natur und der Gesellschaft geht stets eine innere «Umwälzung der Werte» voraus, eine spirituelle und moralische Zerstörung. Wenn das Haben unser Denken und unser Herz beherrscht, wird unsere Einstellung zum Mitmenschen wie auch zur Schöpfung unausweichlich besitzergreifend und unangemessen sein. Der «schlechte Baum» bringt, nach den Worten der Heiligen Schrift, stets «schlechte Früchte» hervor. [12]

Wir heben dementsprechend hervor, dass der Respekt vor der Schöpfung und vor dem Menschen den gleichen geistlichen Ursprung und Ausgangspunkt haben, nämlich die Erneuerung des Menschen in Christus und seine gnadenhafte Freiheit. Eben so wie die Zerstörung der Umwelt und das gesellschaftliche Unrecht Hand in Hand gehen, so sind auch das umweltfreundliche Verhalten und die soziale Solidarität nicht voneinander zu trennen.

Es versteht sich von selbst, dass es einer multilateralen Aktivierung und gemeinsamer Anstrengung bedarf, um die derzeitige vielfältige Krise des Menschen, der Kultur und seiner Umwelt anzugehen. Wie es bei allen großen Problemen der Fall ist, können die schwelenden und miteinander zusammenhängenden Krisen der Umwelt und der Gesellschaft nicht ohne die Zusammenarbeit der Kirchen und der Religionen bewältigt werden. Der Dialog stellt hier den angemessenen Raum dar, um bereits bestehende umweltfreundliche und soziale Traditionen zu präsentieren, um zur ökologischen und gesellschaftlichen Sensibilisierung beizutragen und um konstruktive Kritik am exklusiven technischen und wirtschaftlichen Fortschritt und an den eigennützigen und gesellschaftlich relevanten Modellen zu formulieren, die der Schöpfung und der Kultur der Personen entgegenstehen.

Abschließend heben wir noch einmal hervor, dass der Respekt vor der Schöpfung nicht von dem vor der menschlichen Person zu trennen ist und rufen alle Menschen guten Willens zum guten Kampf für die Bewahrung der Umwelt auf und das Vorherrschen der Solidarität auf; wir beten zum Herrn, dem „Geber alles Guten“, er möge auf die Bitten der allzeit gepriesenen Gottesmutter, der Pammakaristos, seinen Kindern «das Herz, das für die gesamte Schöpfung brennt»[13] und den Ansporn «zu Liebe und zu guten Taten »[14] schenken.

 

1. September 2017

 Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel,
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

 


[1] Röm 8,38

[2] vgl. 1 Petr 3,15

[3] Mt 28,20

[4] Enzyklika zum kirchlichen Neujahr, 1/9/1989

[5]  Gen 1,22

[6] Enzyklika §15

[7] ebd. §15

[8] Der Auftrag der Orthodoxen Kirche in der heutigen Welt, §10

[9] ebd., §10

[10] Enzyklika, §14

[11] ebd.

[12] Mt 7,17

[13] Isaak der Syrer, Asketische Rede 81

[14] Hebr 10,24

Hirtenwort Seiner Allheiligkeit des Ökumenischen Patriarchen Bartolomaios, Erzbischofs von Konstantinopel, zur Heiligen und Großen Fastenzeit 2017

Prot. Nr. 118

Hirtenwort zu Beginn der Heiligen und Großen Fastenzeit

Bartholomaios,

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch allem Volk der Kirche Gnade und Friede
von unserem Erlöser, dem Herrn Jesus Christus,
von uns jedoch Fürbitte, Segen und Vergebung

 

Brüder und im Herrn gesegnete Kinder,
durch die Gnade und die Menschenliebe Gottes treten wir ab morgen in die Heilige und Große vierzigtägige vorösterliche Fastenzeit ein, der für die Hinwendung der menschlichen Seele, unserer eigenen Seele, zu Gott geeignetste Zeitraum.
Diese Zeit ist ein durchgängiges Sich-Besinnen angesichts des sich Tag für Tag entfaltenden Mysteriums Gottes, des Mysteriums der Errettung des Menschen. Deshalb haben alle Fastenzeiten des Kirchenjahres für uns ein besonderes Merkmal: Die Wachsamkeit und Nüchternheit der Seele, die während dieser Zeit voll göttlicher Ermahnungen und Heiligkeit besonders dazu aufgerufen ist, die vergänglichen und sichtbaren Dinge zu erkennen und allmählich zu den größeren und bedeutenderen, den unsichtbaren Dingen zu schreiten.
Ganz deutlich und ausdrücklich spricht der hl. Andreas von Kreta zu sich selbst und zu jeder betrübten und unter den Versuchungen und Verwicklungen dieses Lebens leidenden Seele. Der Heilige spürt die Last der von der Sünde verletzten Seele und ruft voller Pein: «Meine Seele, meine Seele, steh auf, was schläfst du?». Dieser Aufschrei führt zur Erkenntnis der Eitelkeit aller Dinge und zur unbeschreiblichen Angst vor dem Ende des irdischen Lebens: «Es naht das Ende und dann wirst du wehklagen». Vor dem unerwarteten Ende des Lebens, das «wie ein Dieb in der Nacht» kommt, ruft der Erleuchter Kretas (der heilige Andreas) sich selbst und jeder leidenden und von der Angst der Unsicherheit erfüllten Seele zu: «Sei also wachsam, dass Christus sich deiner erbarme, der an allen Orten zugegen ist und alles erfüllt.»
Die orthodoxe Lehre und Stimme der Kirchenväter ruft uns im vor uns liegenden Zeitraum auf, sich bewusst zu werden «wer wir sind, wo wir stehen und wohin wir gehen», was also unser Ziel ist. Wir sollen die Eitelkeit des vergänglichen Lebens erkennen und bereuen, was wir «wissentlich und unwissentlich, in Worten, in Taten und Handlungen und allen (unseren) Gefühlen» getan haben, was nicht dem Evangelium und dem Gnadengesetz Christi entsprach, und wachsam werden. Nur dann werden wir Erbarmen und Gnade finden und der Herr, der uns auf Herz und Nieren prüft und alles Verborgene und die Gedanken der Menschen kennt, wird sich unser erbarmen und unsere ungerechten Gedanken nicht anrechnen, die zu eitlen und unnützen Taten führen.
Der vor uns liegende Kampf besteht in der Nüchternheit und im Wachsamwerden, in unserer Reue und Umkehr. Durch die Reue, d.h. durch die Selbsterkenntnis unseres Zustands und durch die Beichte wird unser Leben gekrönt durch «die Vergebung der Sünden, durch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, durch die Fülle des Himmelreichs». Das Wachsamwerden ist gleichzusetzen mit dem Gewissen des Reue zeigenden Menschen (vgl. 2 Kor 1,12 und Röm 2,15). Das Gewissen ist ein Geschenk Gottes.
Geschwister und Kinder im Herrn,
als orthodoxe Christen sind wir berufen, die Heilige und Große Fastenzeit als Zeit der Nüchternheit und des Wachsamwerdens unseres Gewissens zu erleben, als einen Moment der Ewigkeit unserer orthodoxen Identität. Wir sind also dazu aufgerufen, mit Christus zu leben. Wir sind dazu aufgerufen, kirchlich und spirituell zu leben. Denn nur im Leben in Christus kann unser Gewissen wachsam werden und können wir zur wirklichen Freiheit und zu den wahren Voraussetzungen unserer Ruhe und Erlösung gelangen.
Am Beginn dieser gesegneten Zeit besuchen der Ökumenische Patriarch und die Mutterkirche, die Heilige Große Kirche Christi, jede orthodoxe Christenseele, die mühselig und beladen oder ungetröstet ist wegen der Herausforderungen und Lüste und Genüsse des Fleisches und dieser Welt; gemeinsam gehen sie und beten zu Dem, «Der kommt, um geschlachtet und den Gläubigen zur Speise gegeben zu werden, dem König der Könige, dem Herrscher der Herrschenden»: Würdige, Herr, alle orthodoxen Gläubigen, diese heilige und dem geistlichen Wettlauf gewidmete Zeit in Frieden und mit zerknirschtem Herzen zu durchschreiten, «begnade und stärke uns, damit wir standhaft den Lauf vollenden, den großen Tag Deiner Auferstehung erreichen und Dich in Freude und mit dem Siegeskranz geschmückt unaufhörlich loben» (vgl. Stichiron des Theodor Studites zum Dienstag der 2. Fastenwoche).
Wir segnen euch, die geliebten und treuen Kinder der Mutter Kirche, väterlich und sind mit euch im Gebet und in der Fürbitte vereint; wir rufen auf euch alle die Kraft des ehrwürdigen und lebensspendenden Kreuzes und die Gebete unserer Herrin und Gottesgebärerin, der heiligen Engel und aller Heiligen herab, damit wir alle unserer Berufung als orthodoxe Christen würdig wandeln und auf diese Weise den Genuss und die Herrlichkeit der Auferstehung des Herrn erfahren mögen. Ihm gebührt die Herrschaft und der Dank und die Ehre und die Kraft und die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Heilige und Große Fastenzeit 2017

+ Bartholomaios, Erzbischof von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios 2016

Protokoll-Nr. 450

Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios,

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,

und Ökumenischer Patriarch

allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen

von Christus, dem in Herrlichkeit auferstandenen Erlöser

Geliebte Brüder und Kinder im Herrn,

von ganzem Herzen richten wir an Euch von diesem Sitz des Ökumenischen Patriarchates aus den Freudengruß „Christus ist auferstanden!“. Die Auferstehung Christi ist der Mittelpunkt unseres orthodoxen Glaubens. Ohne die Auferstehung ist unser Glaube „leer“ (1 Kor 15,14). Gott, der Logos, hat durch seine Auferstehung dem Menschen, der zwar nach Gottes Bild erschaffen, aber von der Sünde verwundet und entstellt war, Unsterblichkeit und Gemeinschaft mit Gott sowie die Möglichkeit geschenkt, die Ähnlichkeit Gottes, welche ihm der Ungehorsam geraubt hatte, wieder zu erlangen.

Doch was bedeutet das Osterfest, der Sieg des Lebens über den Tod, in einer Welt der Gewalt und der Kriege, noch dazu, wenn diese im Namen der Religion und Gottes selbst geführt werden?

Viele weise Menschen haben sich bemüht, eine Lösung für das Problem des Todes zu finden und es durch verschiedene Theorien zu überwinden. Wir orthodoxe Christen feiern die Auferstehung Christi von den Toten und verkünden kühn die Vernichtung des Todes. Wir wissen, dass Gottes Wort, „in dem das Leben ist“ (Jo 1,4), das Leben schenkt. Wir haben die froh machende Erfahrung der Kirche, dass der Tod durch Christi Auferstehung besiegt worden ist. „Alles ist von Freude erfüllt – da es die Auferstehung erfahren hat.“ Dieser Glaube lässt alle Aspekte des kirchlichen Lebens erstrahlen. Doch er verdichtet sich in der heiligen Eucharistie. Die Tatsache, dass innerhalb der christlichen Welt vor allem die orthodoxe Kirche die heilige Eucharistie als Mitte ihres Lebens und ihrer Spiritualität bewahrt hat, hängt unmittelbar damit zusammen, dass die Auferstehung im Zentrum ihres Glaubens, ihres Gottesdienstes und ihres Kirche-Seins steht. Aus diesem Grund ist die Eucharistiefeier stets feierlich und von Freude erfüllt und in ganz besonderer Weise mit dem Sonntag, dem „Herrntag“, dem Tag der Auferstehung des Herrn also, verbunden.

Der bewegendste Ausdruck, die bewegendste Deutung des Geschehens der Auferstehung und ihrer erneuernden Kraft ist das Bild des Abstiegs unseres Herrn Jesus Christus in den Hades, wie man es hier in der Kirche des Chora-Klosters bestaunen kann. Der Herr steigt in das Reich des Todes hinab und zertrümmert seine Pforten. Er steigt siegreich empor und lässt mit sich Adam und Eva auferstehen, d. h. die gesamte Menschheit vom Anfang bis zum Ende der Zeiten. „Jetzt ist alles mit Licht erfüllt, Himmel, Erde und Unterwelt.“ Die Schöpfung geht über aus dem finsteren Reich des Todes in das abendlose Licht des Reiches Gottes. Der Gläubige, welcher der Auferstehung teilhaft geworden ist, ist aufgerufen, das Evangelium von der in Christus gewonnenen Freiheit „bis an das Ende der Erde“ (Apg 1,8) zu verkünden.

Die Mutterkirche, die das Mysterium des Kreuzes und der Auferstehung gleichzeitig erlebt, lädt uns heute ein, „Leuchten tragend zu kommen“ und „Gottes erlösendes Pascha gemeinsam zu feiern“.

Denn durch die Auferstehung des Erlösers ist die Menschheit ein einziges Volk geworden, sind wir zu einem Leib vereinigt worden. Durch sein Kreuz und seine Auferstehung hat Christus die Feindschaft unter uns endgültig getilgt. So ist unsere orthodoxe Kirche, die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die Kirche der Versöhnung aller, die Kirche der Liebe zu allen, Freunden und Feinden. Versöhnt, mit dem neuen, dem wahren Leben erfüllt, werden wir zu Mitbürgern der Heiligen und zu Freunden Gottes (vgl. Eph 2,15-20).

Unglücklicherweise gibt es auch heute Terror, Kriege und Morde. Die Klage und die Qual der Opfer, die uns durch die modernen Medien in kürzester Zeit erreichen, beherrschen die Welt und zerreißen unser Herz. Darum haben die Verantwortlichen in den Bereichen von Politik, Kultur und Kirche die Pflicht, aus Liebe alles zu tun, was geeignet ist, solche abnormen Verhältnisse zu beenden.

Wir orthodoxen Christen sind aufgerufen, inmitten der heutigen Welt, einer „Welt des Irrsinns“, das gute Zeugnis der Liebe und der Hingabe an den Mitmenschen zu geben – zu lieben und nichts sonst.

Ostern bedeutet für orthodoxe Gläubige nicht einen Moment vorübergehender Abkehr von der traurigen Wirklichkeit des Bösen in der Welt, sondern die unerschütterliche Gewissheit, dass Christus, der im Tod den Tod zertreten hat und von den Toten auferstanden ist, „alle Tage bis zur Vollendung der Welt“ (Mt 28,20) bei uns ist.

Das ist, Kinder und Brüder, auch in diesem Jahr die österliche Botschaft des heiligen Apostolischen und Patriarchalen Ökumenischen Throns, des ehrwürdigen Zentrums der Orthodoxie, an alle unsere Mitmenschen: Christus ist auferstanden, und die Macht des Todes ist gebrochen, die Macht der Gewalt des Starken über den Schwachen. Und nur „das Leben herrscht“ und die Wärme der Liebe, das unermessliche Erbarmen und die unerschöpfliche Gnade des auferstandenen Christus, welche die ganze Welt vom einen bis zum anderen Ende behütet. Es reicht aus, dass wir Menschen verstehen, dass Jesus Christus das wahre Licht ist, dass in ihm das Leben ist und dass das Leben das Licht der Menschen ist! (vgl. Jo 1,3-4) Das ist unsere Botschaft an alle politisch und geistig Verantwortlichen dieser Welt.

Kommt also und empfangt Licht von dem abendlosen Licht des Phanars, welches als Licht Christi, als Licht der Liebe, allen leuchtet. Und in Ihm „gibt es keine Finsternis“ (vgl. 1 Jo 1,5). Lasst uns, Brüder und Kinder, dieses Evangelium der Freude und der Liebe vernehmen, und lasst uns mit unserer Liebe und unserem Opfer den Schmerz der gegenwärtigen Menschheit lindern!

Ehre sei dem Spender des Lebens, der der Welt und jedem Menschen persönlich das Licht, die Liebe und den Frieden gezeigt hat. Ehre sei dem König der Herrlichkeit, Jesus Christus, dem Sieger über den Tod, dem Herrn des Lebens!

    

Phanar, Ostern 2016

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel

Euer aller inständiger Fürbitter bei Christus, dem Auferstandenen

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen 2016

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen
+   B A R T H O L O M A I O S
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Erbarmen und Friede
von Christus, unserem in Bethlehem geborenen Erlöser

 

 „Christi Menschwerdung ist meine Neuschöpfung.“
(Gregor d. Theologe, Moralia 34)

 

Im Herrn geliebte Brüder und Kinder,

wir besingen und verherrlichen den Einen Gott in der Dreiheit, dass er uns auch in diesem Jahr gewürdigt hat, zur Feier des großen Festes der Geburt des Sohnes und Wortes Gottes des Vaters, die dem Fleisch nach „im kleinen Bethlehem“ stattfand, zu gelangen.

Es feiert von Freude erfüllt die heilige Kirche; denn in seiner Fleischwerdung hat Christus von ihr „Fleisch angenommen“ (Johannes Chrysostomus, Rede vor der Verbannung PG 52,429) und sie auf diese Weise zu einem „Kosmos im Kosmos“ (Origenes, Johanneskommentar) gemacht. Nicht nur das ganze Menschengeschlecht jubelt heute über den Segen Gottes, sondern auch „die ganze Schöpfung.“ „Heute wird alles von Freude erfüllt, weil Christus von der Jungfrau geboren wurde“ (Orthros von Christi Geburt).

Im Gegensatz zu dem „ersten Unbewegten“ der Antike ist unser Gott als solcher eine Gemeinschaft der Liebe und kommt aus Liebe zum Menschen und zur Welt. „Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat.“ (1 Jo 4,10)

Das vorewige Wort des Vaters, das dem Menschen das „Sein“ gegeben hat, schenkt ihm durch seine Menschwerdung das „Wohl-Sein“. „Das bedeutet unser Fest, das wir heute feiern: Gott ist zu den Menschen gekommen, damit wir zu Gott auswandern bzw. heimkehren können …, damit wir, die wir den alten Menschen abgelegt haben, uns mit dem neuen bekleiden und so, wie wir in Adam gestorben sind, in Christus leben werden, mit Christus geboren, gekreuzigt, begraben und auferstanden.“ (Gregor d. Theologe, Oratio 38) Jedem Menschen, der zur Welt kommt, steht der Weg zur gnadenhaften Vergöttlichung offen. Wir alle sind „fähig, Gott zu empfangen“. „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ (Gal 3,28)

Leider wird das Evangelium von Weihnachten wiederum in einer Welt verkündet, die vom Lärm der Waffen widerhallt, in der grundlos Gewalt gegen Einzelne und Völker geübt wird, in der Ungleichheit und gesellschaftliche Ungerechtigkeit herrschen. Unerträglich ist die Situation unzähliger Kinder, die Opfer kriegerischer Zusammenstöße, von Ausnahmezuständen, von vielfältiger Ausbeutung, Verfolgung und Diskriminierung, von Hunger, Durst und qualvollen Entbehrungen geworden sind.

Im vergangenen April hatten wir zusammen mit Seiner Heiligkeit Papst Franziskus und Seiner Seligkeit Erzbischof Hieronymos von Athen und ganz Griechenland die  Gelegenheit, uns auf Lesbos mit eigenen Augen vom Schicksal der Flüchtlinge und Migranten und insbesondere von den akuten Problemen der leidenden Kinder, dieser unschuldigen und wehrlosen Opfer kriegerischer Gewalt, rassistisch und religiös motivierter Diskriminierungen und der Ungerechtigkeit – von den Leiden dieser Kinder, deren Zahl beständig wächst, zu überzeugen.

Das Fest des um unseretwillen ein Kind gewordenen göttlichen Wortes, des Kindes Christus, das zu beseitigen die weltliche Gewalt anstrebte, wie uns der Evangelist Matthäus (2,13) berichtet, ist eine Erinnerung und ein Appell, für die Kinder Sorge zu tragen, diese schutzlosen Opfer zu beschützen und die Heiligkeit der Kindheit zu respektieren.

Kinder und ihre verletzlichen Seelen sind gewiss auch in den Ländern der wirtschaftlich entwickelten und politisch stabileren Welt von vielfältigen Beeinträchtigungen sowie von der Ausübung körperlicher und seelischer Gewalt bedroht. Die kindliche Seele wird durch den zerstörerischen Einfluss elektronischer Medien, insbesondere des Fernsehens und des Internets, auf ihr Leben und durch die grundlegende Veränderung ihres gesellschaftlichen Umfelds in Mitleidenschaft gezogen. Der ausufernde Konsum macht sie früh zu Konsumenten, und das Wohlstandsdenken lässt die kindliche Unschuld in kürzester Zeit verschwinden.

Angesichts dieser Gefahren betont das Heilige und Große Konzil der orthodoxen Kirche, das sich „mit besonderer Liebe und Sorge“ an die Kinder und Jugend wendet, in seiner Enzyklika: „Mitten in diesem Chaos einander widersprechender Bestimmungen dessen, was die Essenz der Kindheit sei, beruft sich unsere heilige Kirche auf das Wort des Herrn: ‚Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich eingehen‘ (Mt 18,3-4) und ‚Wer das Reich Gottes nicht aufnimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen‘ (Lk 18,17) sowie auf alles, was unser Erlöser von denen sagt, die die Kinder ‚daran hindern‘ (vgl. Lk 18,16), zu Ihm zu kommen, und von denen, die ihnen ‚Ärgernisse bereiten‘ (vgl. Mt 18,6).“ (Enzyklika, Abschnitt 8)

Das Mysterium von Weihnachten fasst das Kontakion des Festes in dem Wort zusammen: „Denn für uns ward geboren als kleines Kind der Gott vor den Zeiten.“ Das Wort Gottes als Kind und das Kind als Gott zeigt sich den Menschen „reinen Herzens“ und mit der Einfachheit eines Kindes. Die Kinder verstehen Wahrheiten, welche „die Weisen und Verständigen“ nicht begreifen können. „Nur aus Kindern erschafft man ein Jerusalem“, bemerkt der Dichter Elytis in seinem Werk „Aus der Nähe“.

Brüder und Kinder im Herrn,

wir ermahnen Euch alle, das Wesen und die Heiligkeit der Kindheit zur respektieren. Angesichts der weltweiten Flüchtlingskrise, die vor allem die Rechte der Kinder verletzt, angesichts der nicht hinzunehmenden Kindersterblichkeit, des Hungers, der Kinderarbeit, der körperlichen Misshandlungen und der seelischen Gewalt, aber auch wegen der Gefährdung der kindlichen Seele durch den Einfluss elektronischer Kommunikationsmedien und den Konsumterror rufen wir das Jahr 2017 zum Jahr des Schutzes der Heiligkeit der Kindheit aus und fordern alle auf, die Rechte und die Integrität der Kinder anzuerkennen und zu respektieren.

Wie die Kirche Christi es in einem anderen bedeutenden Text des Heiligen Großen Konzils ausdrückt, zielt sie mit ihrer Verkündigung „nicht primär darauf, diese zu richten oder zu verurteilen (vgl. Joh 3,17 und 12,47), sondern um ihr das Evangelium vom Reich Gottes als Leitfaden darzubieten, sowie die Hoffnung und die Zusicherung, dass das Böse in welcher Form auch immer, nicht das letzte Wort in der Geschichte hat und ihren Lauf nicht  bestimmen darf.“ (Der Auftrag der Orthodoxen Kirche..., Einleitung)

Wir verehren in Demut und Andacht unseren Erlöser, der uns aus der Höhe besucht hat, und besingen in göttlichen Hymnen die Größe der göttlichen Heilstaten für uns; wir beugen die Knie vor der das Kind in ihren Armen haltenden allheiligen Gottesgebärerin und rufen von dem stets wachenden Phanar aus allen Kindern der Kirche von Konstantinopel, seien sie fern oder nah, den Festgruß „Christus wird geboren, verherrlicht Ihn; Christus kommt vom Himmel, eilt Ihm entgegen!“ zu und senden allen unsere väterlichen Wünsche und unseren patriarchalen Segen.

„Stark in der Gnade, die in Christus Jesus ist“ (vgl. 2 Tim 2,1) lasst uns alle in Einmütigkeit, in Glauben und ungeheuchelter Liebe den guten Kampf des neuen Lebens in der Kirche kämpfen und bewahren, was uns Christus aufgetragen hat, Er, der „alle Tage bis zu der Welt Ende“ (Mt 28,20) bei uns ist. 

Weihnachten 2016

+ Bartholomaios von Konstantinopel,
euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen 2017

Protokoll-Nr. 315

Bartholomaios,
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen
von Christus, dem in Herrlichkeit auferstandenen Erlöser
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Geliebte Brüder und Kinder im Herrn, dem Auferstandenen!

„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Jo 16,33) Das sichert der Herr, der als einziger den Tod durch den Tod zertreten hat, den Menschen aller Zeiten zu. „Christus ist auferstanden!“ rufen auch wir von diesen heiligen Hallen des in der Welt erfahrenen Kreuzes und der Trauer allen, die nahe, und allen, die fern sind, zu. Und gleichzeitig ist dies auch ein Ort der Auferstehung; aus diesem Winkel der Welt – der Stadt Konstantins – geht die Botschaft aus: „Das Leben herrscht“ – weil jede Zerstörung und sogar der Tod selbst vernichtet ist.

Der Herr hat in seinem Erdenleben seine Jünger immer wieder auf die Trauer hingewiesen, die ihnen wegen seines Kreuzesopfers auf Golgota aber auch aufgrund ihres Wirkens und ihres Lebensweges in der Welt bevorstehe, – sowohl ihrer selbst als auch aller, die an Christus glauben würden. Er fügte allerdings bezeichnenderweise hinzu: „Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden.“ (Jo 16,20)

Diese österliche und grenzenlose Freude erlebten zuerst die salbentragenden Frauen, als sie in aller Frühe zum Grab des Lebensspenders kamen und den kurzen Gruß des Herrn vernahmen: „Freuet Euch!“ (Mt 28,9) Diesen Auferstehungsgruß vernimmt auch die Mutterkirche von Konstantinopel und verkündet mit lauter Stimme: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Lasst uns frohlocken und seiner uns freuen“ (Psalm 117,24 LXX). Der letzte Feind, der Tod, die Trauer, die Schwierigkeiten, das Verderben, die Trübsal und jede Versuchung wurden vom Herrn, dem siegreichen Menschensohn, besiegt und vernichtet.

Gleichwohl leben wir in einer Welt, in der uns durch die Massenmedien fortwährend unerfreuliche Nachrichten über terroristische Anschläge, Kriege an verschiedenen Orten, Naturkatastrophen, Probleme, die durch religiösen Fanatismus entstehen, Hunger, Flüchtlingselend, unheilbare Krankheiten, Armut, seelische Unterdrückung, Gefühle der Unsicherheit und andere damit in Zusammenhang stehende unerwünschten Situationen erreichen.

Angesichts solcher alltäglichen „Kreuze“, die wir Menschen mit „Murren“ auf uns nehmen, erinnert die heilige orthodoxe Kirche, unsere Mutter, uns daran, dass wir uns freuen dürfen, denn Christus, unser Herrscher, hat über alle gesiegt. Er bringt uns die Freude und erleuchtet alles.

Unsere Freude gründet in der Gewissheit des Sieges Christi. Wir haben die absolute Gewissheit, dass das wahre Gute dieser Sieger ist; denn Christus ist in die Welt gekommen, „und er zog aus ..., um zu siegen“ (Apk 6,2). Die Welt, in der wir ewig leben werden, ist Christus: das Licht, die Wahrheit, das Leben, die Freude, der Friede.

Die Mutterkirche, die heilige Große Kirche Christi, ist trotz ihres täglichen Kreuzes und ständiger Betrübnis ausschließlich der Freude zugewandt. Sie erfährt schon hier, in diesem Leben und ausgehend von diesem Leben das Reich Gottes. Von diesem heiligen Zentrum der Orthodoxie aus, aus dem Phanar des Glaubenszeugnisses, verkünden wir „in dieser lichtstrahlenden Nacht“, dass die Verheißung des Herrn „Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen“ (Jo 14,18) die Fortführung und das Ziel des Kreuzes und der Betrübnis ist, welches jeden Schmerz und jede Prüfung des Menschen aufhebt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt“. (Mt 28,20) Diese Botschaft sollten wir alle vernehmen; diese Botschaft soll der Mensch von heute hören, um sich selbst zurückzunehmen und Christus als seinen Weggefährten zu erkennen, ja, um ihn an seiner Seite zu sehen. Und er wird Ihn sehen, wenn er nur Sein Wort hört und in seinem Leben wahrmacht.

Diese Botschaft der Bezwingung des Todes durch das Leben, des Sieges des „heiteren Lichts“ der Osterkerze über die Finsternis der Konfusion, die Botschaft der Vertreibung der Bedrängnisse und Probleme durch das abendlose Licht der Auferstehung verkündet das Ökumenische Patriarchat der ganzen Welt. Es lädt alle Menschen ein, sie wahrzuhaben. Es ruft sie auf, mit Glauben und Hoffnung vor dem auferstandenen Christus, vor dem Mysterium des Lebens zu stehen und sich dem anzuvertrauen, der die Zügel der ganzen Schöpfung hält, dem auferstandenen Herrn, dem Herrn der Freude und des Frohmuts.

Brüder und Kinder im Herrn, Christus ist auferstanden! Die Gnade und das unermessliche Erbarmen unseres Herrn, der über das Leben herrscht und den Tod überwindet, seien mit Euch allen!

Phanar, Ostern 2017
+ Bartholomaios von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter bei Christus, dem Auferstandenen

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