„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Ansprache Seiner Eminenz Metropolit Arsenios von Austria und Exarch von Ungarn und Mitteleuropa beim 11. Panorthodoxen Jugendtreffen
Wien, 5.10.2024
Einführung
Über Gott zu sprechen ist eine schwierige Sache. Wie können wir den Unaussprechliches beschreiben? Wie kann man von Dem sprechen, dessen Größe und Majestät jede Art von heiligen Gegenständen, Personen oder Dingen übersteigt? Mit der Größe Gottes offenbart sich auch das Unvermögen oder gar die Nichtigkeit des Geschöpfes, das aufgerufen ist, seinen Schöpfer und Schöpfergott zu beschreiben und von Ihm zu sprechen. Außerdem ist die Voraussetzung für die Annäherung an den unzugänglichen und unbegreiflichen Gott die Unkenntnis, das heißt das Wissen um unsere Unfähigkeit, uns Gott auf dem intellektuellen Weg zu nähern und ihn zu erkennen. Angesichts dieser Herausforderung rufen wir daher unseren Herrn an, der das wahre Licht ist, „das Licht, das alle Menschen, die in die Welt kommen, erleuchtet und heiligt“[1], um unsere eigene Dunkelheit zu erhellen und uns in diesem Bemühen beizustehen, damit alles, was heute Abend in unserer Versammlung angesprochen wird, der geistigen Erbauung und dem Fortschritt von uns allen dient.
Es ist eine Tatsache, dass der Herr sich in den drei Jahren seines öffentlichen Wirkens den verschiedenen Gruppen von Juden, sowohl denen, die ihm folgten, weil sie an ihn glaubten, als auch denen, die kamen, um ihn predigen zu hören, auf unterschiedliche Weise vorgestellt hat. Viele kamen wohl eher aus Neugierde als aus Interesse, aber auch in dem Versuch, ihn "im Wort"[2] eine Falle zu stellen. So stellt sich der Herr einmal als „die Auferstehung und das Leben“[3], ein anderes Mal als „der Weg und die Wahrheit“[4], oder auch als „Weinstock“[5]und als „Tür“[6] vor, während er im achten Kapitel des Johannesevangeliums als „Licht der Welt“ dargestellt wird. Wer diesem Licht nachfolgt, „wandelt nicht in der Finsternis“[7]. Darauf wird sich unser Gespräch heute konzentrieren.
Der Begriff des Lichts im Allgemeinen
„Licht“ ist die notwendige Ursache, damit wir etwas sehen können.[8] Der Begriff „Licht“ hat dabei sowohl eine wörtliche als auch eine übertragene Bedeutung. Im wörtlichen Sinn bezeichnet er die Zuführung von materiellem, natürlichem oder künstlichem Licht aus verschiedenen natürlichen oder künstlichen Lichtquellen, wie Sonne oder Mond und Kerzen bzw. Lampen. Metaphorisch und je nach dem Verb, das das Wort „Licht“ begleitet, kann es bedeuten, geboren zu werden (ans Licht zu kommen), etwas zu enthüllen (ans Licht zu bringen), eine Sache gutzuheißen oder zu genehmigen (grünes Licht zu geben), über eine Sache zu beraten (um Licht zu bitten). Neben den beiden Bedeutungen, der wörtlichen und der metaphorischen, findet sich in der Theologie auch die symbolische Bedeutung von Licht, die auf die Erleuchtung des menschlichen Verstandes hinweist, die durch das Wirken des geistigen Lichts der göttlichen Offenbarung bewirkt wird.
Das natürliche Licht ist ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Ohne Licht kann es weder für den Menschen noch für irgendein anderes Lebewesen Leben geben. Die Tatsache, wie wichtig das Licht für jedes Lebewesen ist, wird auch vom göttlichen Wirken verstanden, die das Licht am ersten Tag der Schöpfung schuf: „Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis.“[9] Wie aus dem Text der Genesis hervorgeht, kommt Gottes schöpferische Kraft durch Sein Wort zum Ausdruck, und deshalb erschafft Er durch dieses Wort alle Dinge. Nach dem heiligen Chrysostomus „sprach er [also Gott] und es geschah. Er befahl, und die Finsternis verschwand und das Licht entstand. Und Gott teilte das Licht und die Finsternis...“, das heißt, er gab jedem einen eigenen Ort und bestimmte eine bestimmte Zeit und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Dieses Licht, das vernünftige Licht, beseitigte die Finsternis; entsprechend beseitigte das vernünftige Licht, unser Herr, die Finsternis des Irrtums und führte die Irregeführten zur Wahrheit.[10]
Gott als Licht
Die biblischen Hinweise, die den lichtspendenden Gott mit dem Licht gleichsetzen, sind zahlreich. Gott ist „Licht und Heil“, so der Psalmist David, der den Menschen aus aller Gefahr erlöst und ihm Rettung bietet.[11] An einer anderen Stelle setzt er das Licht mit dem Gewand Gottes gleich: „Du bist mit Hoheit und Pracht bekleidet. Du hüllst dich in Licht wie in einen Mantel, du spannst den Himmel aus gleich einem Zelt“[12]. Das Licht und alles, was damit verbunden ist, beschreibt die göttliche Gegenwart. Der Prophet Habakuk beschreibt Gottes Ausstrahlung „wie das Licht der Sonne, Strahlen gehen aus von Seiner Hand, in ihnen verbirgt sich seine Macht.“[13] Der himmlische Baldachin, auf dem sein Thron ruht, ist glitzernd wie Edelsteine.[14] Auch an anderer Stelle wird Gott von Feuer umgeben gezeigt: „Die Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn auf dem Gipfel des Berges zeigte sich vor den Augen der Israeliten wie verzehrendes Feuer.“[15] Schließlich schießt er den Blitz des Gewitters aus: „Da ließ der Herr den Donner im Himmel erdröhnen, der Höchste ließ Seine Stimme erschallen: Hagel und feurige Kohlen.“[16]
Dieses Licht, das mit der göttlichen Gegenwart verbunden ist, wurde von den Kirchenvätern nicht unbeachtet gelassen. Im Gegenteil: Einige von ihnen widmeten einen großen Teil ihrer Arbeit der Annäherung und Erklärung dieses göttlichen Lichts. Einer von ihnen, der heilige Simeon der Neue Theologe, hält fest, dass Gott nur als Licht verstanden und empfangen werden könne. Er ist das Licht, das Tag und Nacht in unseren Herzen und außerhalb unseres Versatndes leuchtet und alle, die von ihm erleuchtet werden, in Licht verwandelt. Er ist Licht, und als Licht wurde er von denen gesehen, die das Glück hatten, ihn zu sehen, und als Licht wurde er von denen empfangen, die das Glück hatten, ihn zu empfangen, denn das Licht seiner Herrlichkeit geht ihm voraus, und Er erscheint nie ohne Licht.[17] An anderer Stelle wiederum preist der heilige Simeon das Licht Gottes als unerschaffenes, anfangloses und unendliches: „Anfangloses Licht, ungeschaffenes Licht, unaussprechliches Licht in allem.“[18]
Der bedeutendste Vertreter der mystischen Theologie, der heilige Gregorios Palamas, unterscheidet insgesamt drei Arten von Licht. Zunächst spricht er vom sinnlichen Licht, dem Licht, das wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. Als nächstes spricht er vom geistigen oder intellektuellen Licht, das „Wissen, das in den Bedeutungen eingeschrieben ist“, das durch den Verstand wahrgenommen wird. Das Sehvermögen und der Verstand nehmen also nicht dasselbe Licht wahr, sondern erst, wenn jedes von ihnen gemäß seiner eigenen Natur und innerhalb seiner eigenen natürlichen Bedingungen handelt. Das dritte Licht, das der heilige Gregorios unterscheidet, ist das göttliche Licht, das weder sinnlich noch intellektuell ist. Dieses Licht wird von den Gewürdigen genossen, die das Glück hatten, geistige und unaussprechliche Gnade und Kraft zu empfangen, und die durch Sinn und Verstand das sehen, was über allen Sinn und allen Verstand hinausgeht, auf eine Weise, die „nur Gott und diejenigen, die diese göttlichen Energien empfangen, kennen“[19]. Dieses Licht Gottes ist „ungeschaffen“ und er sieht es als die größte seiner ungeschaffenen Energien.
Dieses Licht wurde von vielen Vertretern der Bewegung des sogenannten Hesychasmus mit dem Licht identifiziert, das den Herr im Augenblick seiner Verklärung umgab. Dieses Lichts wurden die anwesenden Jünger des Herrn und die beiden Propheten Moses und Elijah gewürdigt, doch sie konnten seinen Anblick nicht ertragen und „sie stürzten auf die Erde“[20]. Die Heiligen unserer Kirche, die auf mystische ihre Vereinigung mit Gott durch das ungeschaffene Licht erfahren haben, wurden ebenfalls dieses Lichts gewürdigt. Der Mensch allein und von sich aus kann Gott nicht sehen. Nur wenn Gott es zulässt, sieht Ihn der Mensch, der aus Gnade Gott geworden ist.[21] Nur wenn der Mensch im ungeschaffenen Licht ist, sieht er das Licht. Und solange er sich im Licht befindet, sieht er das Licht, in dem er existiert. Zugleich sieht er die gesamte physische Umgebung um sich herum im Licht dieses Lichts, das alles durchdringt, erleuchtet und durchdringt. Das Reich Gottes ist die Herrlichkeit, das Licht Gottes und ist ungeschaffen und allgegenwärtig. Aber der Mensch hat keinen Anteil daran, obwohl er in ihm ist. Er hat nur während der Erfahrung der Erleuchtung oder Theosis daran teil, wenn ihm diese Herrlichkeit offenbart wird, wenn er die Bedingungen eines reinen Herzens erfüllt. Das Kommen des Reiches Gottes ist nichts anderes als diese Offenbarung der Herrlichkeit Gottes an die Menschen.[22]
Licht ist der dreieinige Gott, „Licht der Vater, Licht das Wort, Licht das Wort, Licht und der Heilige Geist“, sagt die Exaposteilarion des Pfingstfestes; Licht, das Heiligkeit und Wahrheit ausstrahlt und das dem sündigen Menschen, dem Menschen, der „im Land und Schatten des Todes“[23] war, vorenthalten wurde. Dieser Mangel an Heiligkeit und göttlichem Licht wurde durch den Sohn und das Wort Gottes behoben bzw. der Mensch wiederhergestellt, der, wie der heilige Athanasius sagt, „Mensch wurde, damit wir vergöttlicht werden“[24] Der Göttliche Logos, auch Er ist Licht, wurde Licht aus Licht, Auch das Wort Gottes, das in der Welt aufstrahlte, um das Heil zu schenken.
Christus, das Licht der Welt
Wie wir zu Beginn erwähnt haben, hat sich der Herr auf verschiedene Weise offenbart, eine davon ist das Licht. „Ich bin das Licht der Welt“, sagte er, um zu erklären, dass er das Licht ist, das zum Leben führt, zum wahren Leben, zum Himmelreich. Wenn wir nun mit unserem Verstand über die Bezeichnungen, mit denen sich der Herr den Menschen geoffenbart hat, ein wenig anders, genauer nachdenken, ergibt sich folgender Zusammenhang. Christus ist gleich „Licht“, ist gleich „Weg“, ist gleich „Tür“, ist gleich „Wahrheit“, ist gleich „Auferstehung“, ist gleich „Leben“. Aus der obigen Beziehung schließen wir, dass Christus all das oben Genannte ist und dementsprechend jedes Element der oben Genannten Christus ist. Wenn wir das weiter analysieren, werden wir außerdem sehen, dass jedes der oben genannten Konzepte zur Vollendung des Menschen in Christus, das heißt zu seiner Erlösung, beiträgt.
Das Selbstbewusstsein Jesu als „Licht“ ergibt sich aus Seinem göttlichen Wesen. Das Wort Gottes selbst ist das Leben und das Licht der Menschen. Beim Evangelisten Johannes lesen: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. […] In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“[25] Das heißt: „Am Anfang der geistigen und materiellen Schöpfung war der Sohn und das Wort Gottes. Und das Wort war immer untrennbar von Gott und ihm sehr nahe, und das Wort war Gott unendlich, wie der Vater und der Heilige Geist […] In ihm war Leben, und für die Menschen war und ist er Leben und Licht. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis konnte es niemals verdunkeln und auslöschen.“
In den obigen Versen verwendet der Evangelist Johannes den Kontrast von Licht und Finsternis. Der Herr selbst verwendet das gleiche Stilmittel in Johannes 8, 12. Zunächst verweist Johannes auf die Macht des Lichts, das aufgrund seiner Kraft und seines Glanzes von niemandem ausgelöscht oder verdunkelt werden kann. Dann sagt der Herr in 8,12: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“, das heißt, wer Ihm nachfolgt, wer Ihm glaubt, wer Seinen Willen tut, der wird nie in der Finsternis wandeln, der wird nie von der Finsternis bedroht sein, denn er wird immer das göttliche Licht bei sich haben. Mit anderen Worten: die Voraussetzung für die göttliche Erleuchtung ist die Einhaltung der Gebote Gottes und die Erfüllung seines Willens.
Christus war, solange Er in der Welt war, das Licht für die Welt.[26] Christus ist das Licht der Welt, und diese Seine Eigenschaft als solches ergibt sich aus der Tatsache, dass Er selbst Gott ist. Das Wort Gottes ist das Leben und das Licht der Menschen, ein wahres Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt. So wie das natürliche Licht die Quelle des Lebens für alle Lebewesen ist, so ist Christus „das wahre Licht“, die Quelle, die Leben spendet und jedes vernünftige Wesen erleuchtet. Das ist es, was der heilige Hymnograph vermitteln will, wenn er singt: „Das wahre Licht erscheint, die Erleuchtung wird allen geschenkt“[27]. Christus kam auf die Erde, um das Licht der ganzen Welt zu werden, damit alle Menschen gerettet werden, nicht nur einige wenige auserwählte.
Der heilige Kyrill von Alexandrien stellt fest, dass Christus sich selbst als Licht bezeichnet, und zwar „nicht nur für sich selbst und nicht nur für die, die aus Israel stammen“. Im gleichen Zusammenhang fügt der heilige Johannes Chrysostomus hinzu: „nicht nur in Galiläa, nicht nur in Palästina, nicht nur in Judäa“, also in Gegenden, in denen der Herr in der Öffentlichkeit wirkte und bekannt war, sondern in der ganzen Welt. Es ist das Licht, das aus Seiner göttlichen Natur hervorgeht. Christus hat nicht gesagt: In mir gibt es Licht, sondern ich bin das Licht, wie der heilige Theophylakt anmerkt. Indem er sich selbst als Licht der Welt bezeichnet, erscheint Christus den Israeliten als Gott und Messias, denn sie waren davon überzeugt, dass, Gott ihr Licht sei. Er erscheint den Israeliten als der erwartete Messias, das Licht, das die Völker erleuchten wird, „ein Licht, das die Heiden erleuchtet“[28]. Nach Basilius dem Großen offenbart der Herr, dass die Herrlichkeit der Gottheit unzugänglich ist und dass er im Glanz der Erkenntnis diejenigen erleuchtet, welche die Augen ihrer Seele gereinigt haben.[29] Genau darauf, auf das göttliche Selbstbewusstsein und den göttlichen Ursprung, deutet die im Johannesevangelium wiederholt verwendete Formulierung „Ich bin“ hin.[30]
Wie bereits erwähnt, wird das Licht der Finsternis gegenübergestellt. Der Mensch steht dabei zwischen dem Licht und der Finsternis und muss sich entscheiden, welchen Weg er gehen will. Jesus ermahnt seine Zuhörer und jeden von uns: „Geht zum Licht, glaubt an das Licht, seid Kinder des Lichts“[31]. Leider entscheiden sich viele Menschen dafür, in der Finsternis zu bleiben, und bleiben sogar dabei. Diese traurigen Tatsache war auch Christus bewusst, als er sagte: „Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht.“[32] Wer aber liebt die Finsternis und wie kann der Mensch ein Sohn des Lichts werden? „Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.“[33] Mit anderen Worten: Wer Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht ans Licht, weil er fürchtet, dass seine Werke aufgedeckt und beurteilt werden. Wer aber der Wahrheit und dem Willen Gottes gemäß handelt, der kommt ans Licht, und es wird offenbar, dass seine Taten aus Gehorsam gegenüber Gott geschehen sind.
Der Christ als Licht in der Welt
Christus gibt seinen Jüngern das Gebot, selbst Lampen und Lichter zu sein und durch ihr Leben in der Welt sichtbar zu werden. Dieselbe Ermahnung gilt für uns als Kinder Gottes. Der Apostel Paulus ermahnt die Gläubigen in seinem Brief an die Philipper: „Tut alles ohne Murren und Bedenken, damit ihr rein und ohne Tadel seid, Kinder Gottes ohne Makel mitten in einer verkehrten und verwirrten Generation, unter der ihr als Lichter in der Welt leuchtet!“[34], das heißt unbefleckt und vollkommen zu sein, reine Kinder Gottes, die in der Welt wie Sterne leuchten. Niemand soll in der Finsternis bleiben, denn das Licht, Christus, ist in die Welt gekommen; „Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.“[35] Wie kann der Mensch dieser Wahrheit gegenüber gleichgültig sein? Das Licht ist gewissermaßen der Ausweis von Christus. Er ist die Sonne der Gerechtigkeit, die in die Welt gekommen ist, um die Dunkelheit der Unwissenheit zu vertreiben, die Finsternis des Hasses zu besiegen und die Finsternis der Schlechtigkeit auszulöschen. Die Vergebung der Sünden, die Rechtfertigung durch Christus, der Sieg über unsere verdorbene Natur, der Schutz und die Führung inmitten von Schwierigkeiten und geistlichen Gefahren, der Trost in Bedrängnissen, der Sieg über den Tod – sie alle sind das Erbe der Nachfolger Christi, der als Licht für uns aufgestrahlt ist.
„Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts!“[36], schreibt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer. Die Nacht und die Finsternis bezeichnen die Sünde, von der der Mensch befreit werden soll. Der Tag und das Licht bezeichnen die Tugend, die der in Christus geläuterte Mensch zu überwinden und das kommende Leben zu leben hat. Wie das natürliche Licht, wenn es leuchtet, für alle sichtbar wird, so wird der wahre Christ durch sein Leben zum Vorbild für alle. Nach dem heiligen Gregor dem Theologen werden die Christen zu „Kerzen an der Lampe, die allezeit leuchtet“[37], dann werden die Menschen ihre guten Werke sehen und Gott verherrlichen. Wenn der Mensch zu einem Licht für die Welt wird, erfüllt er das Gebot Christi an seine Jünger: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“[38]
Eine Voraussetzung, um der Dunkelheit und allem, was sie mit sich bringt, zu entkommen, ist die Nachfolge Christi. Was bedeutet es aber, Christus nachzufolgen? Christus nachzufolgen bedeutet, sich in vollem Vertrauen und voller Hoffnung an Ihn zu halten. Christus nachzufolgen bedeutet, Seinen Willen zu tun – mein Wille ist dabei dem Seinen untergeordnet. Christus nachzufolgen bedeutet, an Seinem Leiden teilzuhaben, mit Ihm zu leiden, mit Ihm zu kommunizieren.
Christus ist das wahre Licht, das zum Heil führt, und hat nichts mit all den Lichtern zu tun, die die moderne Welt von heute predigt. Das Licht Christi ist unzugänglich, es ist wie ein heller Scheinwerfer, der die Menschen erleuchtet und leitet und keine Wartung und technische Unterstützung benötigt. Das Licht Christi muss nicht auf der Grundlage moderner wissenschaftlicher Daten aktualisiert werden, wie dies bei allen Lichtern der Wissenschaft der Fall ist, die von Zeit zu Zeit auf der Grundlage neuer Forschungsergebnisse aktualisiert werden müssen – im Gegenteil: Licht Christi ist vor den Zeitaltern aufgegangen, ist und wird jetzt und in Zukunft unantastbar und unverfälscht bewahrt werden. Da wir glauben, dass Christus das Licht der Welt ist, ist die Kirche, die Sein Leib, Seine Fortsetzung und Sein Ausdruck in der Zeit ist, ebenso Licht. Sie ist der Raum, in dem die Erleuchtung Christi erfahren wird, und zwar nicht auf magische Weise, sondern bewusst und wesentlich durch die Teilnahme an den heiligen Mysterien, durch die wir wiedergeboren, geformt und auf geistige Weise mit dem Erlöser vereint werden. Sie wird erfahren durch die Teilnahme an der orthodoxen Spiritualität, am Leben des Gebets, der Liebe und der Barmherzigkeit, der Umkehr und der Heiligkeit, die nicht fern und außerhalb des Lichts Christi verstanden werden kann.
Wer diesem Licht, Christus, folgt, wird nicht in der Finsternis bleiben, wie der heilige Kyrill sagt, er wird nicht in Irrtum und Sünde bleiben, wie der heilige Chrysostomus und Euthymios Zigabenos sagen. Diejenigen, die Christus nachfolgen, werden niemals der Erleuchtung und der geistigen Führung auf dem Weg der Wahrheit beraubt, die sie vor den verderblichen Irrtümern dieser Welt, die zu Finsternis und Sünde führen, schützen, sondern werden das Licht des Lebens haben und auf ewig leben, als Betrachter und Teilhaber des abendlosen Lichts.
An anderer Stelle stellt der heilige Kyrill klar, dass „das Wort Gottes erleuchtet und pflanzt in jeden Menschen, der ins Dasein tritt, einen Samen der Weisheit, d.h. der Gotteserkenntnis, ein, und pflanzt ihm eine Wurzel Einsicht ein“. Und Erzbischof Anastasios von Albanien hält fest: „Wir wagen es daher zu sagen, dass im Bewusstsein eines jeden Menschen ein Strahl des Lichtes Christi vorhanden ist, auch wenn es durch Unwissenheit und Gleichgültigkeit verdunkelt worden ist. Alles, was im Denken, im Verhalten und im religiösen Leben der Menschen edel und wahr ist, ist ein Abglanz des Lichtes des Sohnes und des Wortes Gottes.“[39]
Schlussworte
Am Anfang haben wir den Begriff des „Lichtes“ erläutert, indem wir den Vers aus dem Evangelium betrachtet haben: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12). Die Gegenwart Christi als Licht in der Welt ist ein universelles Ereignis, das sich an jeden Menschen richtet. Aber die Annahme des Lichts hängt nicht nur von Gott ab, sondern auch von der persönlichen Entscheidung und Haltung eines jeden Menschen. Um noch einmal die Worte des Apostels Paulus zu gebrauchen: Gott „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“,[40] aber die Verwirklichung des Heils ist auf die subjektive Annahme des Heils in Christus angewiesen. Gott schenkt Seine Gnade großzügig an alle. Der Mensch aber muss seinerseits die Ursachen suchen, die ihn des Lichtes berauben, und aufgrund derer er in der Finsternis bleibt, in der Finsternis der Sünde, ohne Kenntnis der göttlichen Erfahrung und Gemeinschaft.[41]
Wenn man sich dafür entscheidet, das Licht, das Christus verbreitet, zu verleugnen, hat das schmerzhafte Folgen für das Leben in der Welt. Heute erlebt ein großer Teil der Menschheit die Tragödie der Armut und des Elends, des Krieges und der Ungewissheit. Die Welt befindet sich in einer noch nie dagewesenen Krise, deren Ursachen tiefer ergründet werden müssen. Der moderne Mensch verleugnet die Gegenwart Gottes in seinem Leben, und das führt zur Aushöhlung seines Wertes, zur Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten, zur Ablehnung der Hoffnung und insbesondere der Hoffnung auf Christus. Der einzige Ausweg liegt in einer Änderung der Denkweise des modernen Menschen, in Umkehr, Reue und Demut. Nur wenn wir uns darauf einlassen, unser Leben neu zu erleuchten, nicht mit den falschen Lichtern der Welt, nicht mit den flüchtigen Erleuchtungen der weltlichen Eitelkeit, sondern mit dem Licht Christi, „der den Menschen, der in die Welt kommt, immer erleuchtet“, können wir aus dieser schmerzlichen Situation herauskommen, in die wir durch Egoismus und dämonische Einbildung geraten sind.
[1] Gebet zur ersten Stunde.
[2] Mt 22,15.
[3] Joh 11,25.
[4] Joh 15,6.
[5] Joh 16,1.
[6] Joh 10,9.
[7] Joh 8,12.
[8] Vgl. Georgios Babiniotis, Lexikon der Neugriechischen Sprache [griech.], Athen 22002, 1918, und D. Dimitratos, Neues Lexikon [griech.], 1290.
[9] Gen 1,3–4.
[10] Johannes Chrysostomos, In gen. hom. 3.
[11] Ps 26.1.
[12] Ps 103,1–2.
[13] Hab 3,4.
[14] Ex 24,10.
[15] Ex 24,16–16 und Ex 19,18.
[16] Ps 17,14–15.
[17] PG 120, 359.
[18] Simeon der Neue Theologe, 8. Rede über die Theologie.
[19] Gregorios Palamas, Hagioreitikos Tomos, Philokalie, Bd. 4, Thessaloniki 1986.
[20] Doxastikon der Vesper der Verklärung Christi.
[21] Vgl. Ps 35,10.
[22] Vgl. Ioannis Romanides, Über die Vergöttlichung.
[23] Mt 4,16.
[24] PG 25,96.
[25] Joh 1,1. 4–5.
[26] Joh 9,5.
[27] Sticheron der Ainoi von Theophanie.
[28] Lk 2,32.
[29] Vgl. dazu insgesamt Panagiotis Trembelas, Auslegung des Johannesevangeliums [griech.], Kommentar zu Joh 8,12.
[30] Vgl. E. Schweizer, Ego eimi, Göttingen 51965, 108. 138. 167.
[31] Joh 12,36.
[32] Joh 3,19.
[33] Joh 3,21.
[34] Phil 2,14–15.
[35] Mt 4,16.
[36] Röm 13,12
[37] PG 36,412.
[38] Mt 5,16.
[39] Anastasios, Christus, das Licht der Welt, in: Kathimerini, 25-12-2009.
[40] 1 Tim 2,4.
[41] Vgl. Konstantinos Papadopoulos, Die Welt als „Kosmos“ im 4. Evangelium [griech.], Bd. 20 (2001), 16–17.