Gemeinsame Botschaft von Papst Franziskus und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung 2017

Der Schöpfungsbericht gewährt uns einen herrlichen Rundblick über die Welt. Die Heilige Schrift offenbart, dass Gott „im Anfang“ wollte, dass die Menschheit bei der Erhaltung und Bewahrung der natürlichen Umwelt mitarbeite. Zu Beginn, wie wir im Buch Genesis lesen, „gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen; denn Gott, der Herr, hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen und es gab noch keinen Menschen, der den Erdboden bearbeitete“ (Gen 2,5). Die Erde wurde uns anvertraut als ein erhabenes Geschenk und Vermächtnis, für das wir alle gemeinsam Verantwortung tragen, bis „am Ende“ in Christus alles zusammengeführt wird, alles, was im Himmel und auf Erden ist (vgl. Eph 1,10). Unsere menschliche Würde und unser Wohlergehen sind tief mit unserer Sorge um die ganze Schöpfung verbunden.

In der „Zwischenzeit“ zeigt uns die Weltgeschichte jedoch ein ganz anderes Bild. Es offenbart ein Szenario im moralischen Verfall, in dem unsere Haltung und unser Benehmen gegenüber der Schöpfung unseren Ruf als Mitarbeiter Gottes verdunkeln. Unsere Neigung, das feine und ausgewogene Ökosystem zu stören, unsere unersättliche Lust, die begrenzten Ressourcen des Planeten zu manipulieren und zu kontrollieren, und unsere Gier nach grenzenlosem Gewinn an den Märkten – all das hat uns dem ursprünglichen Ziel der Schöpfung entfremdet. Wir achten die Natur nicht mehr als ein gemeinsames Geschenk; stattdessen betrachten wir sie als einen privaten Besitz. Wir verbinden uns nicht mit der Natur, um sie zu erhalten; stattdessen herrschen wir über sie, um unsere eigenen Konstrukte abzusichern.

Die Folgen dieser abweichenden Weltsicht sind tragisch und dauerhaft. Die menschliche Lebenswelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam und dieser Verfall des Planeten lastet auf seinen verwundbarsten Bewohnern. Die Auswirkung des Klimawandels betrifft vor allem jene, die in Armut im letzten Winkel dieser Welt leben. Unsere Verpflichtung, die Güter der Erde verantwortungsbewusst zu gebrauchen, beinhaltet die Anerkennung und die Achtung gegenüber allen Menschen und allen Lebewesen. Der dringende Aufruf und die Aufgabe, für die Schöpfung Sorge zu tragen, sind eine Einladung an alle Menschen, auf eine nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung hinzuwirken.

Wir sind in derselben Sorge um die Schöpfung Gottes verbunden und bekennen, dass die Erde ein gemeinsames Gut ist. Daher laden wir eindringlich alle Menschen guten Willens ein, am 1. September eine Zeit dem Gebet für die Umwelt zu widmen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir dem liebenden Schöpfer für das großherzige Geschenk der Schöpfung Dank sagen und ihm unseren Einsatz für ihren Schutz und ihre Bewahrung um der künftigen Generationen willen versprechen. Schließlich wissen wir, dass wir vergeblich arbeiten, wenn nicht der Herr uns zur Seite steht (vgl. Ps 127), wenn das Gebet nicht im Zentrum unserer Reflexion und Feier steht. Ein Ziel unseres Gebets ist nämlich, unsere Wahrnehmung der Welt zu verändern, um unsere Beziehung zur Welt zu erneuern. Das Ziel unseres Versprechens ist, uns mutig eine größere Einfachheit und Solidarität in unserem Leben zu eigen zu machen.

Wir richten einen dringenden Appell an die gesellschaftlichen und ökonomischen wie auch politischen und kulturellen Verantwortungsträger, den Schrei der Erde zu hören und sich um die Nöte der an den Rand Gedrängten zu kümmern. Ganz besonders sollen sie aber auf die Bitte von Millionen antworten und den Konsens der Welt zugunsten der Heilung unserer verwundeten Schöpfung unterstützen. Wir sind überzeugt, dass es keine echte und nachhaltige Lösung zur Veränderung der ökologischen Krise und des Klimawandels gibt, wenn wir keine übereinstimmende und gemeinsame Antwort geben, wenn wir nicht zusammen Verantwortung und Rechenschaft übernehmen, wenn wir nicht der Solidarität und dem Dienst den Vorzug geben.

Aus dem Vatikan und dem Phanar, am 1. September 2017

Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios

Hirtenbrief von Seiner Allheiligkeit Patriarch Bartholomaios zum Tag der Bewahrung der Schöpfung 2017

Protokoll-Nr. 702 

+ Bartholomaios
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche
Gnade und Friede von dem Schöpfer der ganzen Schöpfung,
unserem Herrn, Gott und Erlöser Jesus Christus

Im Herrn geliebte Geschwister und Kinder,

Durch Gottes Gnade treten wir heute in ein neues Kirchenjahr ein und fahren fort, «durch den, der uns geliebt hat»[1] gemeinsam Zeugnis und Rechenschaft abzulegen von der «Hoffnung, die in uns ist»[2], da wir in der Kirche leben, in Christus und gemäß Christus, der uns verheissen hat, «alle Tage bis an der Welten Ende»[3] bei uns zu sein.

Es sind 28 Jahre Jahre vergangen seitdem das Ökumenische Patriarchat den Synodalbeschluss gefasst hat, dass der Tag des kirchlichen Neujahrs als «Tag der Schöpfung» gefeiert werden soll, an dem wir in diesem Zentrum der Orthodoxie Gebete und Fürbitten «für die gesamte Schöpfung» verrichten. Die entsprechende Patriarchal-Enzyklika rief damals die orthodoxe und die übrige chtistliche Welt dazu auf, dass an diesem Tage Dankgebete «für das große Geschenk der Schöpfung»[4], und Bittgebete für ihren Schutz an den Schöpfer aller Dinge gerichtet werden sollen.

Wir bringen die Freude und die Genugtuung unserer geringen Person für das Echo und den reichen Ertrag dieser Initiative der Kirche von Konstantinopel zum Ausdruck. Wir haben die spirituellen Wurzeln der ökologischen Krise und die Notwendigkeit der Umkehr und der Neuordnung der Werte des heutigen Menschen aufgezeigt. Es hat sich erwiesen, dass die Ausbeutung und die Zerstörung der Schöpfung eine Verfälschung und Veränderung zum Bösen des christlichen Ethos darstellt und keineswegs eine notwendige Folge des biblischen Auftrags «Wachset und mehret euch»[5], dass das umweltfeindliche Verhalten eine Beleidigung des Schöpfers und eine Missachtung seiner Gebote bedeutet und der wahren Bestimmung des Menschen widerspricht. Es kann keine nachhaltige Entwicklung zulasten der geistigen Werte und der Umwelt geben.

Die Große Kirche Christi, das Ökumenische Patriarchat, hat das umweltfreundliche Potential unseres orthodoxen Glaubens stets hervorgehoben und tut dies weiterhin. Sie empfiehlt den eucharistischen Gebrauch der Schöpfung, das Handeln des Gläubigen als eines «Priesters» der Schöpfung, der sie ohne Unterlass dem Schöpfer aller Dinge darbringt, und sie betont den unübertroffenen Wert des asketischen Geistes als Gegenmittel zum derzeit vorherrschenden Konsumstreben. Denn in der Tat gehört der respektvolle Umgang mit der Schöpfung zum Kern der orthodoxen Tradition.

Besonders beunruhigend ist die Tatsache dass, obwohl offensichtlich ist, dass die ökologische Krise ständig wächst, die Menschheit sich zugunsten des ökonomischen Wachstums und des technischen Fortschritts taub stellt, wenn es um den Ruf nach einer radikalen Veränderung unseres Handelns gegenüber der Schöpfung geht. Es ist offensichtlich, dass die fortschreitende Veränderung der Umwelt die Folge eines konkreten ökonomischen Fortschrittsdenkens ist, das keinerlei Rücksicht auf seine umweltfeindlichen Auswirkungen zeigt. Der kurzfristige Nutzen, der durch den Anstieg des Lebensstandards in bestimmten Gegenden der Welt erzielt wird, kaschiert die unvernünftige Ausbeutung und Schändung der Schöpfung. Eine ökonomische Aktivität, die das Haus des Lebens nicht respektiert, ist keine «Haushalterschaft», sondern eine «Hausspalterschaft». Die zügellose Ökonomisierung im Zuge der Globalisierung geht einher mit dem rapiden Fortschritt der Wissenschaft und der Technologie, die trotz vieler positiver Ergebnisse von einem Hochmut gegenüber der Natur geprägt ist und zu vielfältiger Ausbeutung derselben führt. Der heutige Mensch weiß, aber er handelt, als ob er nicht wisse. Er weiß, dass die Natur sich nicht ständig regeneriert, aber ist gleichzeitig indifferent gegenüber den negativen Folgen des «Technopols» für die Umwelt. Diese wirklich explosive Mischung aus zügelloser Ökonomisierung und grenzenlosem Vertrauen in die Fähigkeiten der Wissenschaften und der Technologie vergrößert die Gefahren für die Bewahrung der Schöpfung und den Menschen.

Das Heilige und Große Konzil der Orthodoxen Kirche hat eindeutig und klug die Gefahren der «Verselbständigung der Ökonomie» benannt, ihrer Loslösung also von den essentiellen Bedürfnissen der Menschen, die nur in einer lebensfähigen Umwelt befriedigt werden können und hat eine Ökonomie vorgeschlagen, «die auf den Prinzipien des Evangeliums gegründet ist»[6], sowie den Umgang mit der derzeitigen Umweltkrise «auf der Grundlage der Prinzipien der christlichen Tradition»[7]. Die Tradition der Kirche fordert angesichts der derzeitigen Bedrohungen einen «radikalen Wandel des Denkens und des Handelns» gegenüber der Schöpfung, eine asketische Einstellung der «Genügsamkeit und der Enthaltsamkeit»[8], angesichts der «Unersättlichkeit»[9], der «Vergöttlichung der Bedürfnisse und des Besitzergreifens»[10]. Das Heilige und Große Konzil hat sich auch dezidiert zu den «sozialen Dimensionen und den tragischen Konsequenzen der Zerstörung der natürlichen Umwelt»[11] geäußert.

Wir folgen den Beschlüssen dieses Konzils und unterstreichen im vorliegenden Hirtenbrief den engen Zusammenhang zwischen den Umwelt- und den sozialen Problemen und ihren gemeinsamen Ursprung im «törichten Herzen» des Menschen, der fern von Gott ist, im Sündenfall und in der Sünde, im Missbrauch der gottgegebenen Freiheit des Menschen. Der Zerstörung der Natur und der Gesellschaft geht stets eine innere «Umwälzung der Werte» voraus, eine spirituelle und moralische Zerstörung. Wenn das Haben unser Denken und unser Herz beherrscht, wird unsere Einstellung zum Mitmenschen wie auch zur Schöpfung unausweichlich besitzergreifend und unangemessen sein. Der «schlechte Baum» bringt, nach den Worten der Heiligen Schrift, stets «schlechte Früchte» hervor. [12]

Wir heben dementsprechend hervor, dass der Respekt vor der Schöpfung und vor dem Menschen den gleichen geistlichen Ursprung und Ausgangspunkt haben, nämlich die Erneuerung des Menschen in Christus und seine gnadenhafte Freiheit. Eben so wie die Zerstörung der Umwelt und das gesellschaftliche Unrecht Hand in Hand gehen, so sind auch das umweltfreundliche Verhalten und die soziale Solidarität nicht voneinander zu trennen.

Es versteht sich von selbst, dass es einer multilateralen Aktivierung und gemeinsamer Anstrengung bedarf, um die derzeitige vielfältige Krise des Menschen, der Kultur und seiner Umwelt anzugehen. Wie es bei allen großen Problemen der Fall ist, können die schwelenden und miteinander zusammenhängenden Krisen der Umwelt und der Gesellschaft nicht ohne die Zusammenarbeit der Kirchen und der Religionen bewältigt werden. Der Dialog stellt hier den angemessenen Raum dar, um bereits bestehende umweltfreundliche und soziale Traditionen zu präsentieren, um zur ökologischen und gesellschaftlichen Sensibilisierung beizutragen und um konstruktive Kritik am exklusiven technischen und wirtschaftlichen Fortschritt und an den eigennützigen und gesellschaftlich relevanten Modellen zu formulieren, die der Schöpfung und der Kultur der Personen entgegenstehen.

Abschließend heben wir noch einmal hervor, dass der Respekt vor der Schöpfung nicht von dem vor der menschlichen Person zu trennen ist und rufen alle Menschen guten Willens zum guten Kampf für die Bewahrung der Umwelt auf und das Vorherrschen der Solidarität auf; wir beten zum Herrn, dem „Geber alles Guten“, er möge auf die Bitten der allzeit gepriesenen Gottesmutter, der Pammakaristos, seinen Kindern «das Herz, das für die gesamte Schöpfung brennt»[13] und den Ansporn «zu Liebe und zu guten Taten »[14] schenken.

 

1. September 2017

 Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel,
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

 


[1] Röm 8,38

[2] vgl. 1 Petr 3,15

[3] Mt 28,20

[4] Enzyklika zum kirchlichen Neujahr, 1/9/1989

[5]  Gen 1,22

[6] Enzyklika §15

[7] ebd. §15

[8] Der Auftrag der Orthodoxen Kirche in der heutigen Welt, §10

[9] ebd., §10

[10] Enzyklika, §14

[11] ebd.

[12] Mt 7,17

[13] Isaak der Syrer, Asketische Rede 81

[14] Hebr 10,24

Hirtenwort Seiner Allheiligkeit des Ökumenischen Patriarchen Bartolomaios, Erzbischofs von Konstantinopel, zur Heiligen und Großen Fastenzeit 2017

Prot. Nr. 118

Hirtenwort zu Beginn der Heiligen und Großen Fastenzeit

Bartholomaios,

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch allem Volk der Kirche Gnade und Friede
von unserem Erlöser, dem Herrn Jesus Christus,
von uns jedoch Fürbitte, Segen und Vergebung

 

Brüder und im Herrn gesegnete Kinder,
durch die Gnade und die Menschenliebe Gottes treten wir ab morgen in die Heilige und Große vierzigtägige vorösterliche Fastenzeit ein, der für die Hinwendung der menschlichen Seele, unserer eigenen Seele, zu Gott geeignetste Zeitraum.
Diese Zeit ist ein durchgängiges Sich-Besinnen angesichts des sich Tag für Tag entfaltenden Mysteriums Gottes, des Mysteriums der Errettung des Menschen. Deshalb haben alle Fastenzeiten des Kirchenjahres für uns ein besonderes Merkmal: Die Wachsamkeit und Nüchternheit der Seele, die während dieser Zeit voll göttlicher Ermahnungen und Heiligkeit besonders dazu aufgerufen ist, die vergänglichen und sichtbaren Dinge zu erkennen und allmählich zu den größeren und bedeutenderen, den unsichtbaren Dingen zu schreiten.
Ganz deutlich und ausdrücklich spricht der hl. Andreas von Kreta zu sich selbst und zu jeder betrübten und unter den Versuchungen und Verwicklungen dieses Lebens leidenden Seele. Der Heilige spürt die Last der von der Sünde verletzten Seele und ruft voller Pein: «Meine Seele, meine Seele, steh auf, was schläfst du?». Dieser Aufschrei führt zur Erkenntnis der Eitelkeit aller Dinge und zur unbeschreiblichen Angst vor dem Ende des irdischen Lebens: «Es naht das Ende und dann wirst du wehklagen». Vor dem unerwarteten Ende des Lebens, das «wie ein Dieb in der Nacht» kommt, ruft der Erleuchter Kretas (der heilige Andreas) sich selbst und jeder leidenden und von der Angst der Unsicherheit erfüllten Seele zu: «Sei also wachsam, dass Christus sich deiner erbarme, der an allen Orten zugegen ist und alles erfüllt.»
Die orthodoxe Lehre und Stimme der Kirchenväter ruft uns im vor uns liegenden Zeitraum auf, sich bewusst zu werden «wer wir sind, wo wir stehen und wohin wir gehen», was also unser Ziel ist. Wir sollen die Eitelkeit des vergänglichen Lebens erkennen und bereuen, was wir «wissentlich und unwissentlich, in Worten, in Taten und Handlungen und allen (unseren) Gefühlen» getan haben, was nicht dem Evangelium und dem Gnadengesetz Christi entsprach, und wachsam werden. Nur dann werden wir Erbarmen und Gnade finden und der Herr, der uns auf Herz und Nieren prüft und alles Verborgene und die Gedanken der Menschen kennt, wird sich unser erbarmen und unsere ungerechten Gedanken nicht anrechnen, die zu eitlen und unnützen Taten führen.
Der vor uns liegende Kampf besteht in der Nüchternheit und im Wachsamwerden, in unserer Reue und Umkehr. Durch die Reue, d.h. durch die Selbsterkenntnis unseres Zustands und durch die Beichte wird unser Leben gekrönt durch «die Vergebung der Sünden, durch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, durch die Fülle des Himmelreichs». Das Wachsamwerden ist gleichzusetzen mit dem Gewissen des Reue zeigenden Menschen (vgl. 2 Kor 1,12 und Röm 2,15). Das Gewissen ist ein Geschenk Gottes.
Geschwister und Kinder im Herrn,
als orthodoxe Christen sind wir berufen, die Heilige und Große Fastenzeit als Zeit der Nüchternheit und des Wachsamwerdens unseres Gewissens zu erleben, als einen Moment der Ewigkeit unserer orthodoxen Identität. Wir sind also dazu aufgerufen, mit Christus zu leben. Wir sind dazu aufgerufen, kirchlich und spirituell zu leben. Denn nur im Leben in Christus kann unser Gewissen wachsam werden und können wir zur wirklichen Freiheit und zu den wahren Voraussetzungen unserer Ruhe und Erlösung gelangen.
Am Beginn dieser gesegneten Zeit besuchen der Ökumenische Patriarch und die Mutterkirche, die Heilige Große Kirche Christi, jede orthodoxe Christenseele, die mühselig und beladen oder ungetröstet ist wegen der Herausforderungen und Lüste und Genüsse des Fleisches und dieser Welt; gemeinsam gehen sie und beten zu Dem, «Der kommt, um geschlachtet und den Gläubigen zur Speise gegeben zu werden, dem König der Könige, dem Herrscher der Herrschenden»: Würdige, Herr, alle orthodoxen Gläubigen, diese heilige und dem geistlichen Wettlauf gewidmete Zeit in Frieden und mit zerknirschtem Herzen zu durchschreiten, «begnade und stärke uns, damit wir standhaft den Lauf vollenden, den großen Tag Deiner Auferstehung erreichen und Dich in Freude und mit dem Siegeskranz geschmückt unaufhörlich loben» (vgl. Stichiron des Theodor Studites zum Dienstag der 2. Fastenwoche).
Wir segnen euch, die geliebten und treuen Kinder der Mutter Kirche, väterlich und sind mit euch im Gebet und in der Fürbitte vereint; wir rufen auf euch alle die Kraft des ehrwürdigen und lebensspendenden Kreuzes und die Gebete unserer Herrin und Gottesgebärerin, der heiligen Engel und aller Heiligen herab, damit wir alle unserer Berufung als orthodoxe Christen würdig wandeln und auf diese Weise den Genuss und die Herrlichkeit der Auferstehung des Herrn erfahren mögen. Ihm gebührt die Herrschaft und der Dank und die Ehre und die Kraft und die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Heilige und Große Fastenzeit 2017

+ Bartholomaios, Erzbischof von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

Hirtenbrief zum Tag der Bewahrung der Schöpfung 2016

+ Bartholomaios durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom, und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen von dem Bildner der ganzen Schöpfung, unserem Herrn, Gott und Erlöser Jesus Christus

 

Liebe Mitbrüder und im Herrn geliebte Kinder,

Die heilige Mutter, die Große Kirche Christi, verfolgt schon seit vielen Jahren wachsam die weltweiten katastrophalen Entwicklungen auf dem Gebiet der Umwelt. Darum hat sie die Initiative ergriffen, den Beginn des Kirchenjahres der Schöpfung und der Umwelt zu widmen und ruft an diesem Tag die ganze orthodoxe und die übrige christliche Welt dazu auf, dem Schöpfer des Alls Bitten und Gebete darzubringen – Danksagungen für das große Geschenk der Schöpfung sowie Fürbitten für ihren Schutz und ihre Rettung vor jedem sichtbaren oder unsichtbaren Angriff der Menschen. So erinnern wir auch an diesem besonderen Tag von unserem Ökumenischen Patriarchat aus daran, dass alle für die ökologischen Probleme, vor denen unser Planet heute steht, sensibilisiert werden müssen.

Der gegenwärtige rasante technologische Fortschritt und die Möglichkeiten und Erleichterungen, die er dem modernen Menschen schenkt, dürfen uns nicht in die Irre führen: Bei jedem technologischen Vorhaben müssen wir ernsthaft die Gefährdungen in Betracht ziehen, denen diese Technologie die natürliche Umwelt und die Zivilisation aussetzt, sowie generell alle damit zusammenhängenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen, welche möglicherweise (bzw. tatsächlich) die Schöpfung und das Leben auf Erden bedrohen.

Diese Notwendigkeit haben wir übrigens – zusammen mit unseren Brüdern, den Vorstehern und Hierarchen der heiligen orthodoxen Ortskirchen anlässlich des im vergangenen Juni auf der Insel Kreta unter unserem Vorsitz segensreich zusammengetretenen Heiligen und Großen Konzils – verkündet, als wir in der Enzyklika des Konzils feststellten: „Durch die gegenwärtige Entwicklung von Wissenschaft und Technologie verändert sich unser Leben radikal und was eine solche Änderung im Leben des Menschen mit sich bringt, erfordert von seiner Seite Besorgnis, da abgesehen von den offenkundigen Wohltaten (...) wir auch mit negativen Folgen des wissenschaftlichen Fortschritts konfrontiert werden“. Dazu gehören auch die Bedrohung und die Zerstörung der natürlichen Umwelt. 

Es bedarf beständiger Wachsamkeit, Bildung und Aufklärung, damit der Zusammenhang der gegenwärtigen ökologischen Krise mit den menschlichen Leidenschaften des Geizes, der Unersättlichkeit, des Egoismus, der Raffsucht – alles Leidenschaften, die jene ökologische Krise herbeiführen, die wir jetzt erleben – deutlich wird. Die Rückkehr zur ursprünglichen Schönheit der Ordnung und des klugen Haushaltens, der Selbstbeschränkung und der Askese, also jener Tugenden, die zu einem besonnenen Umgang mit der natürlichen Umwelt führen können, ist mithin der einzige mögliche Weg. Besonders die Unersättlichkeit bei der Stillung materieller Bedürfnisse führt mit Gewissheit zur geistlichen Verarmung des Menschen, welche die Zerstörung der Umwelt nach sich zieht: „Die Wurzeln der ökologischen Krise sind spirituell und einfach, insofern sie im Herzen jedes Menschen liegen“, hat das erwähnte Heilige und Große Konzil der Orthodoxen Kirche festgestellt, das sich an die moderne Welt wendet. „Das Streben nach ständigem Wachstum des Wohlstands und der ungezügelte Konsum führen zu einer nicht angemessenen Nutzung und zum Versiegen der natürlichen Ressourcen.“ (Konzilsdokument „Der Auftrag der Orthodoxen Kirche in der heutigen Welt“)

Heute begehen wir, liebe Geschwister und Kinder im Herrn, auch das Gedächtnis des hl. Symeon d. Styliten, jener bedeutenden Säule unserer Kirche, dessen Klostergebäude gleich vielen anderen wunderbaren archäologischen Stätten in Syrien und in der ganzen Welt, wie z. B. das antike Palmyra, die zum Weltkulturerbe gezählt werden, der Barbarei und den Schrecknissen des Krieges zum Opfer gefallen ist. Darum erwähnen wir an dieser Stelle noch ein ebenso wichtiges Problem: die Krise der Zivilisation, die in den letzten Jahren die ganze Welt ergriffen hat. Denn Umwelt und Zivilisation sind Begriffe und Werte, die komplementär zueinanderstehen und einander durchdringen. Die den Menschen umgebende Umwelt wurde durch den einfachen Imperativ Gottes „Es werde!“ (s. Genesis 1,3.6.14) erschaffen. Die Zivilisation wurde von dem mit der Vernunft ausgestatteten menschlichen Geist gebildet; darum ist auch der Respekt ihr gegenüber selbstverständlich und geboten. Denn der Mensch ist anerkannterweise die Krone der göttlichen Schöpfung und wird deswegen geehrt.

Darum richten wir von diesem zentralen Bischofssitz der Orthodoxie, der eine einzigartige Überlieferung birgt und die kostbarsten Schätze des kulturellen Erbes hütet, pflichtschuldig die Aufmerksamkeit aller Verantwortlichen und jedes Menschen auf die Notwendigkeit, parallel zur natürlichen Umwelt auch das universale kulturelle Erbe, das durch den Klimawandel, kriegerische Konflikte auf der ganzen Welt und aus anderen Gründen bedroht ist, zu schützen.

Die kulturellen Schätze, die in Gestalt von religiösen und geistlichen Denkmälern, aber auch in Gestalt des zeitübergreifenden Ausdrucks des menschlichen Geistes der ganzen Menschheit, und nicht nur den Staaten, auf deren Gebiet sie sich befinden, gehören, unterliegen denselben Gefährdungen wie die Umwelt. Deshalb ist der Schutz der Umwelt wie auch der unschätzbaren kulturellen Güter für das Wohlergehen der ganzen Menschheit geboten.

Die Beschädigung oder die Zerstörung des Kulturdenkmals eines Landes verletzt auch das weltweite Erbe der ganzen Menschheit. Darum ist es die Pflicht und die Schuldigkeit jedes Menschen, aber insbesondere jedes zivilisierten Staates, die Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung seiner Denkmäler, also jene Maßnahmen, die geeignet sind, ihren Fortbestand unbeeinträchtigt zu bewahren, zu verstärken. Jeder nach Recht und Gesetz verfasste Staat muss Handlungen vermeiden, welche die Unversehrtheit der zum Weltkulturerbe gehörenden Denkmäler beeinträchtigen und die immateriellen Werte, die ein jedes von ihnen repräsentiert, in Mitleidenschaft ziehen.

Während wir unser Augenmerk auf unsere – panorthodox verkündete – „größte Verantwortung“ lenken, „eine lebensfähige natürliche Umwelt kommenden Generationen weiterzugeben und sie gemäß dem göttlichen Willen und Segen zu nutzen“ (Enzyklika des Heiligen Großen Konzils) und darauf hinweisen, dass „nicht nur die heutigen, sondern auch die künftigen Generationen ein Anrecht auf die natürlichen Ressourcen haben, die uns der Schöpfer geschenkt hat.“ (Entscheidung des Heiligen und Großen Konzils „Der Auftrag der Orthodoxen Kirche in der heutigen Welt“) rufen wir alle dazu auf, die Kräfte – insbesondere des Gebetes – zu mobilisieren, um für den Schutz der Umwelt in der weiteren Bedeutung dieses Begriffes, d. h. für die harmonische Verbindung der natürlichen und der vom Menschen geschaffenen zivilisatorischen Umwelt einzutreten, und bitten unseren Herrn Jesus Christus, er möge auf die Fürsprache der allheiligen – in der Pammakaristos Kirche verehrten - Gottesgebärerin, des hl. Johannes des Täufers als Stimme des Rufers in der Wüste, und durch die Mittlerschaft des hl. Symeons des Styliten und aller Heiligen unser gemeinsames natürliches und kulturelles Haus vor jeglicher Bedrohung und Zerstörung bewahren und ihm Seinen reichen Segen unverbrüchlich gewähren.

In andächtiger Seele und dem Gebet des Herzens mit allen Gläubigen vereint bitten wir den Schöpfer der sichtbaren und der unsichtbaren, der reellen und der ideellen Schöpfung, „maßvolle, günstige Winde und zuträglichen, sanften Regen“ zu schenken, „auf dass die Erde reichlich Frucht bringe“, sowie der ganzen Welt „tiefen Frieden, den Frieden, der jeden Verstand übersteigt“ zu gewähren, und rufen auf alle Menschen und auf das Haus der Erde Gottes Gnade und unermessliches Erbarmen herab.

1. September 2016

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel,

   Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios 2016

Protokoll-Nr. 450

Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios,

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,

und Ökumenischer Patriarch

allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen

von Christus, dem in Herrlichkeit auferstandenen Erlöser

Geliebte Brüder und Kinder im Herrn,

von ganzem Herzen richten wir an Euch von diesem Sitz des Ökumenischen Patriarchates aus den Freudengruß „Christus ist auferstanden!“. Die Auferstehung Christi ist der Mittelpunkt unseres orthodoxen Glaubens. Ohne die Auferstehung ist unser Glaube „leer“ (1 Kor 15,14). Gott, der Logos, hat durch seine Auferstehung dem Menschen, der zwar nach Gottes Bild erschaffen, aber von der Sünde verwundet und entstellt war, Unsterblichkeit und Gemeinschaft mit Gott sowie die Möglichkeit geschenkt, die Ähnlichkeit Gottes, welche ihm der Ungehorsam geraubt hatte, wieder zu erlangen.

Doch was bedeutet das Osterfest, der Sieg des Lebens über den Tod, in einer Welt der Gewalt und der Kriege, noch dazu, wenn diese im Namen der Religion und Gottes selbst geführt werden?

Viele weise Menschen haben sich bemüht, eine Lösung für das Problem des Todes zu finden und es durch verschiedene Theorien zu überwinden. Wir orthodoxe Christen feiern die Auferstehung Christi von den Toten und verkünden kühn die Vernichtung des Todes. Wir wissen, dass Gottes Wort, „in dem das Leben ist“ (Jo 1,4), das Leben schenkt. Wir haben die froh machende Erfahrung der Kirche, dass der Tod durch Christi Auferstehung besiegt worden ist. „Alles ist von Freude erfüllt – da es die Auferstehung erfahren hat.“ Dieser Glaube lässt alle Aspekte des kirchlichen Lebens erstrahlen. Doch er verdichtet sich in der heiligen Eucharistie. Die Tatsache, dass innerhalb der christlichen Welt vor allem die orthodoxe Kirche die heilige Eucharistie als Mitte ihres Lebens und ihrer Spiritualität bewahrt hat, hängt unmittelbar damit zusammen, dass die Auferstehung im Zentrum ihres Glaubens, ihres Gottesdienstes und ihres Kirche-Seins steht. Aus diesem Grund ist die Eucharistiefeier stets feierlich und von Freude erfüllt und in ganz besonderer Weise mit dem Sonntag, dem „Herrntag“, dem Tag der Auferstehung des Herrn also, verbunden.

Der bewegendste Ausdruck, die bewegendste Deutung des Geschehens der Auferstehung und ihrer erneuernden Kraft ist das Bild des Abstiegs unseres Herrn Jesus Christus in den Hades, wie man es hier in der Kirche des Chora-Klosters bestaunen kann. Der Herr steigt in das Reich des Todes hinab und zertrümmert seine Pforten. Er steigt siegreich empor und lässt mit sich Adam und Eva auferstehen, d. h. die gesamte Menschheit vom Anfang bis zum Ende der Zeiten. „Jetzt ist alles mit Licht erfüllt, Himmel, Erde und Unterwelt.“ Die Schöpfung geht über aus dem finsteren Reich des Todes in das abendlose Licht des Reiches Gottes. Der Gläubige, welcher der Auferstehung teilhaft geworden ist, ist aufgerufen, das Evangelium von der in Christus gewonnenen Freiheit „bis an das Ende der Erde“ (Apg 1,8) zu verkünden.

Die Mutterkirche, die das Mysterium des Kreuzes und der Auferstehung gleichzeitig erlebt, lädt uns heute ein, „Leuchten tragend zu kommen“ und „Gottes erlösendes Pascha gemeinsam zu feiern“.

Denn durch die Auferstehung des Erlösers ist die Menschheit ein einziges Volk geworden, sind wir zu einem Leib vereinigt worden. Durch sein Kreuz und seine Auferstehung hat Christus die Feindschaft unter uns endgültig getilgt. So ist unsere orthodoxe Kirche, die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die Kirche der Versöhnung aller, die Kirche der Liebe zu allen, Freunden und Feinden. Versöhnt, mit dem neuen, dem wahren Leben erfüllt, werden wir zu Mitbürgern der Heiligen und zu Freunden Gottes (vgl. Eph 2,15-20).

Unglücklicherweise gibt es auch heute Terror, Kriege und Morde. Die Klage und die Qual der Opfer, die uns durch die modernen Medien in kürzester Zeit erreichen, beherrschen die Welt und zerreißen unser Herz. Darum haben die Verantwortlichen in den Bereichen von Politik, Kultur und Kirche die Pflicht, aus Liebe alles zu tun, was geeignet ist, solche abnormen Verhältnisse zu beenden.

Wir orthodoxen Christen sind aufgerufen, inmitten der heutigen Welt, einer „Welt des Irrsinns“, das gute Zeugnis der Liebe und der Hingabe an den Mitmenschen zu geben – zu lieben und nichts sonst.

Ostern bedeutet für orthodoxe Gläubige nicht einen Moment vorübergehender Abkehr von der traurigen Wirklichkeit des Bösen in der Welt, sondern die unerschütterliche Gewissheit, dass Christus, der im Tod den Tod zertreten hat und von den Toten auferstanden ist, „alle Tage bis zur Vollendung der Welt“ (Mt 28,20) bei uns ist.

Das ist, Kinder und Brüder, auch in diesem Jahr die österliche Botschaft des heiligen Apostolischen und Patriarchalen Ökumenischen Throns, des ehrwürdigen Zentrums der Orthodoxie, an alle unsere Mitmenschen: Christus ist auferstanden, und die Macht des Todes ist gebrochen, die Macht der Gewalt des Starken über den Schwachen. Und nur „das Leben herrscht“ und die Wärme der Liebe, das unermessliche Erbarmen und die unerschöpfliche Gnade des auferstandenen Christus, welche die ganze Welt vom einen bis zum anderen Ende behütet. Es reicht aus, dass wir Menschen verstehen, dass Jesus Christus das wahre Licht ist, dass in ihm das Leben ist und dass das Leben das Licht der Menschen ist! (vgl. Jo 1,3-4) Das ist unsere Botschaft an alle politisch und geistig Verantwortlichen dieser Welt.

Kommt also und empfangt Licht von dem abendlosen Licht des Phanars, welches als Licht Christi, als Licht der Liebe, allen leuchtet. Und in Ihm „gibt es keine Finsternis“ (vgl. 1 Jo 1,5). Lasst uns, Brüder und Kinder, dieses Evangelium der Freude und der Liebe vernehmen, und lasst uns mit unserer Liebe und unserem Opfer den Schmerz der gegenwärtigen Menschheit lindern!

Ehre sei dem Spender des Lebens, der der Welt und jedem Menschen persönlich das Licht, die Liebe und den Frieden gezeigt hat. Ehre sei dem König der Herrlichkeit, Jesus Christus, dem Sieger über den Tod, dem Herrn des Lebens!

    

Phanar, Ostern 2016

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel

Euer aller inständiger Fürbitter bei Christus, dem Auferstandenen

Fastenbotschaft 2016

Protokoll-Nr. 284

Hirtenwort zu Beginn der heiligen und großen Fastenzeit

Bartholomaios,

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,

und Ökumenischer Patriarch allem Volk der Kirche Gnade und Friede von unserem Erlöser, dem Herrn Jesus Christus,

von uns jedoch Fürbitte, Segen und Vergebung

Brüder und im Herrn geliebte und gesegnete Kinder,

der Dichter der Psalmen führt auch in diesem Jahr alle orthodoxen Gläubigen durch das vom Heiligen Geist eingegebene Wort vom Erbarmen und von den Entscheidungen des Herrn in das Mysterium der heiligen großen Fastenzeit ein, wenn er sagt: „Der Herr schafft Barmherzigkeit und Recht allen, denen Unrecht geschieht.“ (Psalm 102,6) Denn der Herr „erfüllt dein Verlangen mit Gutem, erneuert wie dem Adler dir die Jugend“. (Palm 102,5)

Wie wir wissen, Brüder und Kinder im Herrn, ist jeder Mensch, da er nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen ist, ein Tempel des Herrn. Doch noch viel mehr sind wir, die wir auf Christus getauft, mit dem heiligen Myron gesalbt und dem schönen Ölbaum der Kirche aufgepfropft sind, Tempel des in uns wohnenden Heiligen Geistes – selbst dann, wenn wir uns durch zahlreiche freiwillige und unfreiwillige Sünden vom Herrn entfernen: „Sind wir untreu, so bleibt Er doch treu.“ (2 Tim 2,13)

Aber durch den Schmutz der Sünde wird die Gnade des Heiligen Geistes daran gehindert, in uns wirksam zu sein. Darum hat unsere heilige orthodoxe Kirche die jetzt beginnende Zeit des Fastens, die heiligen vierzig Tage, dazu bestimmt, dass wir uns in dieser Zeit durch die Buße reinigen und würdig werden, das lebenschaffende Leiden und die lichtbringende Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus von den Toten zu empfangen. „Komm, elende Seele, mit deinem Fleisch bekenne dem Schöpfer aller. Höre auf, dich wie vordem zu rechtfertigen, und bringe Gott in Buße Tränen dar!“ ruft der Dichter des Großen Kanons, der hl. Andreas von Kreta, allen Gläubigen zu. (Troparion der 1. Ode)

Die Kirche öffnet in ihrer Sorge für unser Heil und unsere geistliche Vollendung all ihren Gliedern die kommende Zeit der Umkehr und ermahnt sie zugleich, ein die materiellen Dinge und den Besitz liebendes Leben zu bekämpfen, jenes Leben, das die Seele wie „ein schweres Joch“ lähmt und zur Erde herunterzieht und so verhindert, dass sie ihre Schwingen spreizt und sich zum Himmel, zum Reich Gottes aufschwingt.

Durch die Buße und die Reinigung der Tränen bekleiden wir uns wieder mit der ursprünglichen Schönheit und dem von Gott gewebten Gewand, das wir nach dem Sündenfall verloren haben, als wir uns „mit dem Kleid der Schande wie mit Feigenblättern“ verhüllten.

Das Fasten, die Enthaltung von Speisen, von „nichtigen Gedanken und bösen Vorstellungen“ ist die Voraussetzung für den rechten, maßvollen und besonnenen Gebrauch der materiellen Güter in der Perspektive des sozialen Nutzens, so dass die für die gesellschaftliche und die natürliche Umwelt schädlichen, Folgen, die sich aus dem widersinnigen Missbrauch dieser Güter ergeben, entfallen. Was stattdessen bleiben soll, ist das „Fasten der Barmherzigkeit“, das nicht ein „Gericht über alle, die Unrecht leiden“ (Psalm 102,6) bedeutet, sondern Mitleid, Gnade und Erquickung für sie und für uns ein Fortschreiten auf dem Weg zum Ähnlichwerden mit Gott (Basilius d. Große).

Durch maßvollen Gebrauch werden die Materie und unser Leben geheiligt. Denn die vergängliche Materie ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zu unserer Heiligung. Entsprechend gilt auch für die vom Evangelium beschriebenen „Reichen“, welche die Güter besitzen und festhalten: Das Fasten muss zum Anlass für Selbstbegrenzung werden, mit dem Ziel, „dass sie reich werden an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes“ (vgl. Röm 15,13) und auf die heutigen Armen ihr Augenmerk richten, auf den heutigen „Lazarus“ der Menschheit, nämlich den Flüchtling.

Darüber hinaus dürfen wir, Brüder und Kinder, den wahren Geist des Fastens und der Enthaltsamkeit nicht vergessen, ohne den diese Übungen dem Herrn nicht gefallen. Denn der Apostel Jakobus, der Bruder des Herrn, sagt uns: „Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott, dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten.“ (Jakobus 1,27) Denn die Gnade, die das Fasten und die Enthaltsamkeit reichlich gewähren, erlangen wir nicht schon und allein durch die Beschränkung der Nahrungsaufnahme und dadurch, dass wir auf Nahrungsmittel verzichten. „Wenn ihr in Rechtsstreit und Zank fastet und den Armen mit Fäusten schlagt – wozu fastet ihr mir dann?“ fragt der Prophet Isaias. (Is 58,4) „Nicht dieses Fasten habe ich erwählt (…), sondern (…) brich dem Hungernden dein Brot und führe obdachlose Arme in dein Haus; wenn du jemanden nackt siehst, bekleide ihn ...“ (Is. 58,5-7) sagt und verkündet uns der Herr durch die Stimme seines Propheten.

Ganz besonders heute schenken uns Orthodoxen die Wirtschaftskrise, das Flüchtlingselend und die vielfältigen Schwierigkeiten, die weltweit und insbesondere in einigen Ländern und unter einigen Völkern auftreten, die Möglichkeit, diesen wahren Geist des Fastens zu pflegen, indem wir den Nahrungsverzicht mit Handlungen der Menschenliebe und der Solidarität mit denjenigen unter unseren Brüdern verbinden, die in unmittelbarer Not sind, mit den Leidenden, den Bedürftigen und Armen, den Obdachlosen und Flüchtlingen, mit denen, „die nichts haben, um ihr Haupt zu betten“ (Mt 8,20), mit denjenigen, welche die unerbittlichen Umstände des Krieges, der Nöte und Qualen zwingen, ihre angestammten Häuser zu verlassen und inmitten zahlreicher Gefahren, Bedrängnisse und Mühsale zu fliehen.

Wenn unser Fasten von einer solchen Zunahme unserer Menschenliebe und unserer Liebe zu den geringsten Geschwistern des Herrn ungeachtet ihrer Nationalität, ihrer Religion, ihrer Sprache und ihrer Herkunft begleitet wird, so wird es wie wohlduftender Weihrauch unmittelbar zu Gottes Thron aufsteigen, und Engel werden sich zu uns Fastenden gesellen, wie sie einst dem Herrn in der Wüste dienten.

Brüderlich und väterlich wünschen wir allen, die heilige Fastenzeit, in die wir nun eintreten, fruchtbar und eine Zeit der Heiligung sei, erfüllt von Gnade und Erkenntnis. Gott würdige uns, uns unangefochten dem lebenspendenden Kelch zu nahen, der lebenschaffenden Seite des Herrn, „aus der uns der zweifache Quell der Vergebung und der Erkenntnis entströmt.“ (Großer Kanon, Troparion der 4. Ode)

Seine göttliche Gnade und sein unerschöpfliches Erbarmen seien mit euch allen, Brüder und Kinder, damit uns in dieser dem Evangelium gemäßen Gesinnung das Fest der Feste und die Feier der Feiern, die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, geschenkt werde. Ihm seien die Herrlichkeit, die Macht, die Ehre und die Danksagung, jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.

Heilige und Große Fastenzeit 2016

+ Bartholomaios, Erzbischof von Konstantinopel

Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

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