Patriarchal- und Synodal-enzyklika aus Anlass des 1700. Jahrestages des ersten ökumenischen Konzils von Nizäa

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Protokoll-Nummer 335

 

† BARTHOLOMAIOS

DURCH GOTTES ERBARMEN 

ERZBISCHOF VON KONSTANTINOPEL, DEM NEUEN ROM, 

UND ÖKUMENISCHER PATRIARCH 

DEM GANZEN VOLK DER KIRCHE

GNADE UND FRIEDE VON GOTT

* * *

Ein Dankeslied richten wir an den allmächtigen, allsehenden und allgütigen dreifaltigen Gott, der sein Volk gewürdigt hat, den 1700. Jahrestag des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa zu erleben, das, inspiriert vom Heiligen Geist, den wahren Glauben an den Gleich-Anfanglosen mit dem Vater und wahrhaft wesensgleichen Logos Gottes bezeugte. „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt, hat gelitten und ist am dritten Tage auferstanden und aufgefahren in den Himmel. Er wird wiederkommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“

Das Konzil von Nizäa ist Ausdruck der synodalen Natur der Kirche, der Höhepunkt ihrer „ursprünglichen Synodalität“, die untrennbar mit der eucharistischen Verwirklichung des kirchlichen Lebens verbunden ist, aber auch mit der Praxis, zusammenzukommen, um „einmütig“[1] Entscheidungen zu aktuellen Fragen zu treffen. Das Konzil von Nizäa markiert somit die Entstehung einer neuen synodalen Struktur, nämlich des Ökumenischen Konzils, das für die Entwicklung der kirchlichen Angelegenheiten von entscheidender Bedeutung werden sollte. Es sei daran erinnert, dass das Ökumenische Konzil keine „ständige Institution“ im Leben der Kirche ist, sondern ein „außergewöhnliches Ereignis“, eine Reaktion auf eine konkrete Bedrohung des Glaubens mit dem Ziel, die zerbrochene Einheit und die eucharistische Gemeinschaft wiederherzustellen.

Die Tatsache, dass das Konzil von Nizäa vom Kaiser einberufen wurde, dass Konstantin der Große an seinen Sitzungen teilnahm und seine Verurteilungen mit der Autorität staatlicher Gesetze ausstattete, macht es nicht zu einem „kaiserlichen Konzil“[2]. Es handelte sich um ein rein „kirchliches Ereignis“, bei dem die Kirche, geleitet vom Heiligen Geist, Entscheidungen für ihr eigenes Haus traf, während der Kaiser den Grundsatz anwandte: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.“[3]

Angesichts der arianischen Irrlehre formulierte die Kirche synodal das Wesentliche ihres Glaubens, den sie fortwährend lebt. Der „Wesensgleiche mit dem Vater“, der ewige Sohn und Logos Gottes, „wahrer Gott vom wahren Gott“, rettet durch seine Inkarnation den Menschen aus dem Joch des Widersachers und eröffnet ihm den Weg der Vergöttlichung durch Gnade. „Denn er wurde Mensch, damit wir vergöttlicht werden.“[4] Das Nizänische Glaubensbekenntnis bringt die feste Überzeugung zum Ausdruck, dass die arianische Häresie eine Leugnung der Möglichkeit der Erlösung des Menschen darstellt. In diesem Sinne ist es nicht einfach eine theoretische Erklärung, sondern ein Bekenntnis des Glaubens, das wie alle dogmatischen Texte der Kirche einen authentischen Ausdruck der lebendigen Wahrheit in ihr und durch sie darstellt.

Von besonderer theologischer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Grundlage des Heiligen Glaubensbekenntnisses „Wir glauben …“ ein örtliches Taufbekenntnis oder eine Zusammenfassung solcher Glaubensbekenntnisse darstellt. Als authentischer Träger des zeitübergreifenden kirchlichen Selbstverständnisses rekapituliert und bestätigt das Konzil das apostolische Erbe, das die Ortskirchen bewahren. Athanasius der Große berichtet, dass die Konzilsväter „nicht schrieben ‚So meinen wir‘, sondern ‚So glaubt die katholische Kirche‘; und sie bekannten sogleich, was sie glauben, um zu zeigen, dass ihr Denken nicht neu, sondern apostolisch ist, und dass das, was sie schrieben, nicht von ihnen selbst erfunden wurde, sondern dass dies die Lehre der Apostel war.“[5] Die von Gott unterwiesenen Väter waren davon überzeugt, dass dem Glauben der Apostel nichts hinzugefügt wurde und dass das wahrhaft ökumenische Glaubensbekenntnis von Nizäa eine Erklärung der gemeinsamen Tradition der allgemeinen Kirche darstellt. Die Konzilsväter, die von der Orthodoxen Kirche zu Recht als „strenge Wächter der apostolischen Traditionen“ verehrt und gepriesen werden, verwendeten den philosophischen Begriff „Wesen / Ousia“ (und „wesensgleich“), um den orthodoxen Glauben an die Göttlichkeit des Logos auszudrücken, die Arius ebenso leugnete wie das gesamte Mysterium der alles rettenden Inkarnation des Logos Gottes, da er in hellenistische Denkformen verstrickt war und den „Gott der Väter“ im Namen eines „Gottes der Philosophen“ ablehnte.

Eine weitere wichtige Frage, die das Konzil von Nizäa klären sollte, um die kirchliche Einheit in der liturgischen Praxis zu stärken, war, „wann und wie wir das Osterfest feiern sollten“. Der 1700. Jahrestag der Einberufung des Konzils rückt die Frage der gemeinsamen Feier der Auferstehung des Herrn erneut in den Vordergrund. Die Heilige Große Kirche Christi, das Ökumenische Patriarchat, betet dafür, dass die Christen überall auf der Welt gemäß den Vorschriften des Konzils von Nizäa dazu zurückkehren, Ostern an einem gemeinsamen Tag zu feiern, wie es dieses Jahr glücklicherweise der Fall war. Ein derartiger Beschluss wird als Zeichen und Symbol für einen echten Fortschritt im Bemühen um ökumenisches Miteinander und Einhelligkeit durch den theologischen Dialog und den „Dialog des Lebens“ dienen und ein greifbares Zeugnis für den tätigen Respekt vor den Errungenschaften der unteilbaren Kirche sein. Die Verwirklichung dieses Ziels im Kontext des diesjährigen Jubiläums war eine gemeinsame Vision des verstorbenen Papstes Franziskus und unserer geringen Person. Sein Tod am Tag nach dem von allen Christen gemeinsam gefeierten Osterfest unterstreicht unsere gemeinsame Verantwortung, diesen Weg unbeirrt weiterzugehen.

Von Bedeutung ist auch der kanonisch-kirchenrechtliche Ertrag des Konzils von Nizäa, welcher das zeitübergreifende kanonische Bewusstsein der Kirche zum Ausdruck brachte und konziliar bestätigte und in dem die Anfänge des Metropolitan-Systems und die Erhöhung der Bedeutung, die herausragende Stellung und die erweiterte Verantwortung bestimmter Bischofssitze, aus denen sich schrittweise das System der Pentarchie herausbildete, abzulesen sind. Da das kanonische Erbe von Nizäa ein gemeinsames Erbe der gesamten christlichen Welt ist, sollte der diesjährige Jahrestag als Einladung zur Rückkehr zu den Quellen, zu den grundlegenden kanonischen Verordnungen der ungeteilten Kirche verstanden werden.

Als Garant der Beschlüsse von Nizäa hat sich durch die Zeit hindurch der Bischofssitz von Konstantinopel, das Ökumenische Patriarchat, erwiesen. Dieser Geist der Großen Kirche kam auch in der Patriarchal- und Synodal-Enzyklika zum 1600. Jahrestag des Konzils[6], „des ersten ökumenischen und wahrlich größten Konzils der Kirche“, zum Ausdruck. Es wurde seinerzeit beschlossen, den Jahrestag „feierlich und wenn möglich gemeinsam von allen orthodoxen autokephalen Kirchen als universelle Manifestation des Glaubens und der heute durch Gottes Gnade fortwährenden Treue unserer heiligen orthodoxen Kirche zur Lehre und dem Geist jenes Konzils zu begehen, das zum einen durch seine im Heiligen Geist erfolgte Entscheidung den einen Glauben der Kirche festigte und besiegelte und zum anderen durch die Anwesenheit von Vertretern aus aller Welt die einheitliche Zusammensetzung der Kirche glorreich versinnbildlichte“. Leider konnte die geplante Feier aufgrund außergewöhnlicher Umstände und der Vakanz des Ökumenischen Throns nicht stattfinden. Am 19. Juli 1925, dem ersten Sonntag nach der Inthronisierung von Patriarch Basilios III., wurde die „überfällige Pflicht“ durch die Feier einer „besonderen Patriarchal- und Synodal-Liturgie“ in der ehrwürdigen Patriarchalkirche erfüllt. Von besonderer ekklesiologischer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Enzyklika die Bedeutung der Pflichterfüllung zur Feier dieses „für die gesamte Christenheit großen“ Jubiläums durch die Kirche von Konstantinopel betont, „da diese in besonderer Verbindung und Verpflichtung zu dieser Feier steht“.

Das Konzil von Nizäa ist ein Meilenstein in der Entwicklung der lehrmäßigen Identität und der kanonischen Struktur der Kirche und blieb das Modell für die Auseinandersetzung in Fragen des Glaubens und der kanonischen Ordnung auf weltweiter Ebene. Der 1700. Jahrestag seiner Einberufung erinnert die Christenheit an die Grundannahmen der alten Kirche, an den Wert des gemeinsamen Kampfes gegen Missverständnisse des christlichen Glaubens und an die Aufgabe der Gläubigen, zur Vermehrung der „guten Früchte“ des Lebens in Christus, nach Christus und für Christus in der Welt beizutragen.

Wir sind heute aufgerufen, die zeitübergreifende Botschaft des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa hervorzuheben, die Heilsdimension und die anthropologischen Konsequenzen der „Wesensgleichheit“, die untrennbare Verbindung von Christologie und Anthropologie, und zwar in einer Zeit anthropologischer Verwirrung und intensiver Bemühungen, den „transhumanen Meta-menschen“ als Lösung und selbstvergöttlichende Perspektive der menschlichen Evolution durch den Beitrag von Wissenschaft und Technologie hochzuhalten. Das Prinzip der „Gottmenschheit “ ist die Antwort auf die nicht weiterführende Vision des zeitgenössischen „Menschengottes“. Der Verweis auf den „Geist von Nizäa“ ist eine Einladung, sich dem Wesentlichen unseres Glaubens zuzuwenden, dessen Kern die Erlösung des Menschen in Christus ist.

Unser Herr und Erlöser Jesus Christus ist die vollständige und vollkommene Offenbarung der Wahrheit über Gott und den Menschen. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“[7] Der menschgewordene Gott, der Logos, zeigte „zuerst und allein“, wie der heilige Nikolaos Kabasilas schreibt, „den wahren und vollkommenen Menschen, sowohl in seinen Sitten und seinem Leben als auch in allen anderen Aspekten.“[8] Diese Wahrheit wird in der Welt durch die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche verkörpert, von ihr wird sie genährt und ihr dient sie. Sie trägt das Gewand der Wahrheit, das „von der himmlischen Theologie gewoben“ ist, vertritt recht und verherrlicht „das große Geheimnis des Glaubens“. Sie verkündet das Wort des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung in Erwartung des „abendlosen und niemals endenden und endlosen Tages“[9], des kommenden ewigen Reiches des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Die Aufgabe der Theologie besteht in der Offenbarung der Heilsdimension der Dogmen und ihre existentielle Interpretation. Dies erfordert neben der Teilnahme am kirchlichen Geschehen auch Sensibilität und echtes Interesse am Menschen und den Herausforderungen seiner Freiheit. In diesem Sinne muss die Verkündigung des Glaubens an den fleischgewordenen Logos Gottes von unserer tätigen Bejahung seines rettenden Wortes begleitet sein: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“[10]

Indem wir uns an die unaussprechlichen Gaben erinnern, die er der gesamten Schöpfung geschenkt hat und weiterhin schenkt, preisen wir unaufhörlich den heiligen und glorreichen Namen des Herrn aller Dinge und Gottes der Liebe, durch den wir den Vater kennengelernt haben und der Heilige Geist in die Welt gekommen ist. Amen!

Im Jahr des Heils 2025, am 1. Juni

In der III. Indiktion

Es soll in den Kirchen während der Liturgie, am Sonntag der heiligen Väter des ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa (01.06.2025), nach dem Evangelium vorgelesen werden.

[1] Apg 2,1.

[2] Metropolit Ioannis Zizioulas von Pergamon, Werke, Bd. 1, Ekklesiologische Studien (griech.), Athen 2016, S. 675-6. 

[3] Mt 22,21.

[4] Athanasius der Große, Rede über die Inkarnation des Logos, PG 25, 192.

[5] Athanasius der Große, Abhandlung über die Synoden zu Rimini in Italien, und zu Seleucia in Isaurien, PG 26, 688.

[6] Patriarchal-Archiv Codex I 94, 10. August 1925, S. 102-3.

[7] Joh 14,9.

[8] Nikolaos Kabasilas, Vom Leben in Christus, PG 150, 680.

[9] Basilius der Große, Das Sechstagewerk, PG 29, 52.

[10] Joh 15,12.

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