Hirtenbrief zum Tag der Bewahrung der Schöpfung 2025
Protokoll-Nr. 605
+ Bartholomaios
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche
Gnade und Friede von dem Schöpfer der Welt,
unserem Herrn, Gott und Erlöser Jesus Christus
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Verehrte Brüder im Bischofsamt, im Herrn gesegnete Kinder,
Durch die Gnade Gottes, der uns alles gewährt, treten wir heute in das neue Kirchenjahr ein und preisen seinen himmlischen Namen, dass die Initiativen seiner Heiligen Großen Kirche für die Bewahrung der Schöpfung weiterhin ungebrochen Frucht tragen. Das Ökumenische Patriarchat hat nicht nur frühzeitig auf den Umfang der Umweltprobleme hingewiesen, sondern auch auf ihre Ursachen, ihre inneren, spirituellen und moralischen Ursprünge aufmerksam gemacht und Lösungen auf der Grundlage des orthodoxen eucharistischen und asketischen Ethos vorgeschlagen.
Die Orthodoxie als Glaube, Gottesdienst und Zeugnis in der Welt ist die umweltfreundliche Form des Christentums. In diesem Sinne war die Ausrufung des Festes der Indiktion als Gebetstag für die Bewahrung der natürlichen Umwelt nicht bloß eine Reaktion auf die gegenwärtige ökologische Krise, sondern Konsequenz und Fortführung des kirchlichen Lebens als „angewandte Ökologie“. Von Anfang an haben wir auch die Untrennbarkeit des Respekts vor der Schöpfung und dem Menschen verkündet und auf die gemeinsame Wurzel und Verschränkung der ökologischen und sozialen Probleme hingewiesen. Die Trennung von Gott führt zu einer besitzergreifenden und ausbeuterischen Haltung und Verhaltensweise gegenüber der Schöpfung und den Mitmenschen, während das Leben in Christus und nach Christus Quelle von Umweltbewusstsein und philanthropischem Handeln ist. Nach dem Wort des Herrn: „Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten“ (Mt 7,17-18).
Der Respekt vor den spirituellen Werten schärft unseren Sinn für das Gute und Gebotene. Gleichgültigkeit gegenüber der Transzendenz und der daraus resultierende „Anthropomonismus“ führen dazu, dass der Mensch im Irdischen gefangen ist und seine Freiheit auf pragmatische Entscheidungen beschränkt bleibt, die stets mit oberflächlichen Sichtweisen und der Gleichsetzung des Guten mit dem „gelegentlich Nützlichen“ verbunden sind. Der aktuelle Diskurs über „ökologische Umkehr“ ruft nicht nur zur Buße für die angerichteten ökologischen Schäden und zu einem radikalen Wandel der Mentalität und des Verhaltens gegenüber der Schöpfung auf, sondern verweist auch auf die Notwendigkeit, die irrige Position zu überwinden, welche die für die natürliche Umwelt zerstörerische „Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft“ als einzigen Weg zur Entwicklung vertritt und den naiven Glauben an die Fähigkeit der Natur nährt, sich dauerhaft zu regenerieren trotz der anthropogenen Belastungen, wie dem sich verschärfenden Klimawandel und seinen destruktiven Auswirkungen auf den Planeten. Hinzu kommen heute das laute Kriegsgeschrei, die Bombenangriffe, die Raketen und Explosionen, welche die Stimme der unschuldigen Opfer gnadenloser Gewalt und das Stöhnen der Schöpfung übertönen.Die Zukunft des Lebens auf unserem Planeten wird entweder ökologisch und friedlich sein oder nicht existieren.
Das Ökumenische Patriarchat wird neben seinem Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität auch weiterhin eine wichtige Rolle im Naturschutz führen, das ökologische Problem als zentrales Thema des interchristlichen und interreligiösen Dialogs hervorheben und die Bedeutung christlicher umweltfreundlicher Prinzipien und Traditionen im Rahmen internationaler Institutionen, ökologischer Organisationen, wissenschaftlicher Stiftungen und der Zivilgesellschaft vertreten. Wir sind überzeugt, dass die Zusammenarbeit im Bereich der Ökologie das gemeinsame Verantwortungsbewusstsein für den Weg in die Zukunft stärkt und neue positive Perspektiven schafft.
Wir kommen zurück auf eine frühere Botschaft unserer Wenigkeit und rufen die Diözesen der Mutterkirche in der ganzen Welt, die Kirchengemeinden und Klöster erneut dazu auf, koordinierte Aktionen und konkrete Interventionen zur Mobilisierung der Gläubigen zu entwickeln, wobei der Schwerpunkt auf der Ausbildung der neuen Generation liegen sollte. Die Anwendung der ökologischen Konsequenzen unseres Glaubens in der Praxis stellt eine entscheidende Dimension unserer orthodoxen Identität dar.
In diesem Geist wünschen wir Ihnen ein friedliches und reiches in guten und gottgefälligen Werken neues Kirchenjahr.Wir rufen die Kinder der Heiligen Großen Kirche Christi auf der ganzen Welt auf, umweltfreundlich und geschwisterlich zu leben, für die Schöpfung und den Frieden zu beten, sich für die Bewahrung der natürlichen Umwelt und Nachhaltigkeit einzusetzen und für die Etablierung einer Kultur der Solidarität zu arbeiten. Durch die Fürsprache und den Schutz der Allerheiligsten „Pammakaristos“ Gottesgebärerin erflehen wir die lebenspendende Gnade und das große Erbarmen des allmächtigen Schöpfers aller Dinge und allgütigen Gottes der Liebe.
Gesegnetes Kirchenjahr, Brüder und Kinder im Herrn!
1. September 2025
+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter