Patriarchal- und Synodal-enzyklika aus Anlass des 1700. Jahrestages des ersten ökumenischen Konzils von Nizäa

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Protokoll-Nummer 335

 

† BARTHOLOMAIOS

DURCH GOTTES ERBARMEN 

ERZBISCHOF VON KONSTANTINOPEL, DEM NEUEN ROM, 

UND ÖKUMENISCHER PATRIARCH 

DEM GANZEN VOLK DER KIRCHE

GNADE UND FRIEDE VON GOTT

* * *

Ein Dankeslied richten wir an den allmächtigen, allsehenden und allgütigen dreifaltigen Gott, der sein Volk gewürdigt hat, den 1700. Jahrestag des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa zu erleben, das, inspiriert vom Heiligen Geist, den wahren Glauben an den Gleich-Anfanglosen mit dem Vater und wahrhaft wesensgleichen Logos Gottes bezeugte. „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt, hat gelitten und ist am dritten Tage auferstanden und aufgefahren in den Himmel. Er wird wiederkommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“

Das Konzil von Nizäa ist Ausdruck der synodalen Natur der Kirche, der Höhepunkt ihrer „ursprünglichen Synodalität“, die untrennbar mit der eucharistischen Verwirklichung des kirchlichen Lebens verbunden ist, aber auch mit der Praxis, zusammenzukommen, um „einmütig“[1] Entscheidungen zu aktuellen Fragen zu treffen. Das Konzil von Nizäa markiert somit die Entstehung einer neuen synodalen Struktur, nämlich des Ökumenischen Konzils, das für die Entwicklung der kirchlichen Angelegenheiten von entscheidender Bedeutung werden sollte. Es sei daran erinnert, dass das Ökumenische Konzil keine „ständige Institution“ im Leben der Kirche ist, sondern ein „außergewöhnliches Ereignis“, eine Reaktion auf eine konkrete Bedrohung des Glaubens mit dem Ziel, die zerbrochene Einheit und die eucharistische Gemeinschaft wiederherzustellen.

Die Tatsache, dass das Konzil von Nizäa vom Kaiser einberufen wurde, dass Konstantin der Große an seinen Sitzungen teilnahm und seine Verurteilungen mit der Autorität staatlicher Gesetze ausstattete, macht es nicht zu einem „kaiserlichen Konzil“[2]. Es handelte sich um ein rein „kirchliches Ereignis“, bei dem die Kirche, geleitet vom Heiligen Geist, Entscheidungen für ihr eigenes Haus traf, während der Kaiser den Grundsatz anwandte: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.“[3]

Angesichts der arianischen Irrlehre formulierte die Kirche synodal das Wesentliche ihres Glaubens, den sie fortwährend lebt. Der „Wesensgleiche mit dem Vater“, der ewige Sohn und Logos Gottes, „wahrer Gott vom wahren Gott“, rettet durch seine Inkarnation den Menschen aus dem Joch des Widersachers und eröffnet ihm den Weg der Vergöttlichung durch Gnade. „Denn er wurde Mensch, damit wir vergöttlicht werden.“[4] Das Nizänische Glaubensbekenntnis bringt die feste Überzeugung zum Ausdruck, dass die arianische Häresie eine Leugnung der Möglichkeit der Erlösung des Menschen darstellt. In diesem Sinne ist es nicht einfach eine theoretische Erklärung, sondern ein Bekenntnis des Glaubens, das wie alle dogmatischen Texte der Kirche einen authentischen Ausdruck der lebendigen Wahrheit in ihr und durch sie darstellt.

Von besonderer theologischer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Grundlage des Heiligen Glaubensbekenntnisses „Wir glauben …“ ein örtliches Taufbekenntnis oder eine Zusammenfassung solcher Glaubensbekenntnisse darstellt. Als authentischer Träger des zeitübergreifenden kirchlichen Selbstverständnisses rekapituliert und bestätigt das Konzil das apostolische Erbe, das die Ortskirchen bewahren. Athanasius der Große berichtet, dass die Konzilsväter „nicht schrieben ‚So meinen wir‘, sondern ‚So glaubt die katholische Kirche‘; und sie bekannten sogleich, was sie glauben, um zu zeigen, dass ihr Denken nicht neu, sondern apostolisch ist, und dass das, was sie schrieben, nicht von ihnen selbst erfunden wurde, sondern dass dies die Lehre der Apostel war.“[5] Die von Gott unterwiesenen Väter waren davon überzeugt, dass dem Glauben der Apostel nichts hinzugefügt wurde und dass das wahrhaft ökumenische Glaubensbekenntnis von Nizäa eine Erklärung der gemeinsamen Tradition der allgemeinen Kirche darstellt. Die Konzilsväter, die von der Orthodoxen Kirche zu Recht als „strenge Wächter der apostolischen Traditionen“ verehrt und gepriesen werden, verwendeten den philosophischen Begriff „Wesen / Ousia“ (und „wesensgleich“), um den orthodoxen Glauben an die Göttlichkeit des Logos auszudrücken, die Arius ebenso leugnete wie das gesamte Mysterium der alles rettenden Inkarnation des Logos Gottes, da er in hellenistische Denkformen verstrickt war und den „Gott der Väter“ im Namen eines „Gottes der Philosophen“ ablehnte.

Eine weitere wichtige Frage, die das Konzil von Nizäa klären sollte, um die kirchliche Einheit in der liturgischen Praxis zu stärken, war, „wann und wie wir das Osterfest feiern sollten“. Der 1700. Jahrestag der Einberufung des Konzils rückt die Frage der gemeinsamen Feier der Auferstehung des Herrn erneut in den Vordergrund. Die Heilige Große Kirche Christi, das Ökumenische Patriarchat, betet dafür, dass die Christen überall auf der Welt gemäß den Vorschriften des Konzils von Nizäa dazu zurückkehren, Ostern an einem gemeinsamen Tag zu feiern, wie es dieses Jahr glücklicherweise der Fall war. Ein derartiger Beschluss wird als Zeichen und Symbol für einen echten Fortschritt im Bemühen um ökumenisches Miteinander und Einhelligkeit durch den theologischen Dialog und den „Dialog des Lebens“ dienen und ein greifbares Zeugnis für den tätigen Respekt vor den Errungenschaften der unteilbaren Kirche sein. Die Verwirklichung dieses Ziels im Kontext des diesjährigen Jubiläums war eine gemeinsame Vision des verstorbenen Papstes Franziskus und unserer geringen Person. Sein Tod am Tag nach dem von allen Christen gemeinsam gefeierten Osterfest unterstreicht unsere gemeinsame Verantwortung, diesen Weg unbeirrt weiterzugehen.

Von Bedeutung ist auch der kanonisch-kirchenrechtliche Ertrag des Konzils von Nizäa, welcher das zeitübergreifende kanonische Bewusstsein der Kirche zum Ausdruck brachte und konziliar bestätigte und in dem die Anfänge des Metropolitan-Systems und die Erhöhung der Bedeutung, die herausragende Stellung und die erweiterte Verantwortung bestimmter Bischofssitze, aus denen sich schrittweise das System der Pentarchie herausbildete, abzulesen sind. Da das kanonische Erbe von Nizäa ein gemeinsames Erbe der gesamten christlichen Welt ist, sollte der diesjährige Jahrestag als Einladung zur Rückkehr zu den Quellen, zu den grundlegenden kanonischen Verordnungen der ungeteilten Kirche verstanden werden.

Als Garant der Beschlüsse von Nizäa hat sich durch die Zeit hindurch der Bischofssitz von Konstantinopel, das Ökumenische Patriarchat, erwiesen. Dieser Geist der Großen Kirche kam auch in der Patriarchal- und Synodal-Enzyklika zum 1600. Jahrestag des Konzils[6], „des ersten ökumenischen und wahrlich größten Konzils der Kirche“, zum Ausdruck. Es wurde seinerzeit beschlossen, den Jahrestag „feierlich und wenn möglich gemeinsam von allen orthodoxen autokephalen Kirchen als universelle Manifestation des Glaubens und der heute durch Gottes Gnade fortwährenden Treue unserer heiligen orthodoxen Kirche zur Lehre und dem Geist jenes Konzils zu begehen, das zum einen durch seine im Heiligen Geist erfolgte Entscheidung den einen Glauben der Kirche festigte und besiegelte und zum anderen durch die Anwesenheit von Vertretern aus aller Welt die einheitliche Zusammensetzung der Kirche glorreich versinnbildlichte“. Leider konnte die geplante Feier aufgrund außergewöhnlicher Umstände und der Vakanz des Ökumenischen Throns nicht stattfinden. Am 19. Juli 1925, dem ersten Sonntag nach der Inthronisierung von Patriarch Basilios III., wurde die „überfällige Pflicht“ durch die Feier einer „besonderen Patriarchal- und Synodal-Liturgie“ in der ehrwürdigen Patriarchalkirche erfüllt. Von besonderer ekklesiologischer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Enzyklika die Bedeutung der Pflichterfüllung zur Feier dieses „für die gesamte Christenheit großen“ Jubiläums durch die Kirche von Konstantinopel betont, „da diese in besonderer Verbindung und Verpflichtung zu dieser Feier steht“.

Das Konzil von Nizäa ist ein Meilenstein in der Entwicklung der lehrmäßigen Identität und der kanonischen Struktur der Kirche und blieb das Modell für die Auseinandersetzung in Fragen des Glaubens und der kanonischen Ordnung auf weltweiter Ebene. Der 1700. Jahrestag seiner Einberufung erinnert die Christenheit an die Grundannahmen der alten Kirche, an den Wert des gemeinsamen Kampfes gegen Missverständnisse des christlichen Glaubens und an die Aufgabe der Gläubigen, zur Vermehrung der „guten Früchte“ des Lebens in Christus, nach Christus und für Christus in der Welt beizutragen.

Wir sind heute aufgerufen, die zeitübergreifende Botschaft des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa hervorzuheben, die Heilsdimension und die anthropologischen Konsequenzen der „Wesensgleichheit“, die untrennbare Verbindung von Christologie und Anthropologie, und zwar in einer Zeit anthropologischer Verwirrung und intensiver Bemühungen, den „transhumanen Meta-menschen“ als Lösung und selbstvergöttlichende Perspektive der menschlichen Evolution durch den Beitrag von Wissenschaft und Technologie hochzuhalten. Das Prinzip der „Gottmenschheit “ ist die Antwort auf die nicht weiterführende Vision des zeitgenössischen „Menschengottes“. Der Verweis auf den „Geist von Nizäa“ ist eine Einladung, sich dem Wesentlichen unseres Glaubens zuzuwenden, dessen Kern die Erlösung des Menschen in Christus ist.

Unser Herr und Erlöser Jesus Christus ist die vollständige und vollkommene Offenbarung der Wahrheit über Gott und den Menschen. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“[7] Der menschgewordene Gott, der Logos, zeigte „zuerst und allein“, wie der heilige Nikolaos Kabasilas schreibt, „den wahren und vollkommenen Menschen, sowohl in seinen Sitten und seinem Leben als auch in allen anderen Aspekten.“[8] Diese Wahrheit wird in der Welt durch die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche verkörpert, von ihr wird sie genährt und ihr dient sie. Sie trägt das Gewand der Wahrheit, das „von der himmlischen Theologie gewoben“ ist, vertritt recht und verherrlicht „das große Geheimnis des Glaubens“. Sie verkündet das Wort des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung in Erwartung des „abendlosen und niemals endenden und endlosen Tages“[9], des kommenden ewigen Reiches des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Die Aufgabe der Theologie besteht in der Offenbarung der Heilsdimension der Dogmen und ihre existentielle Interpretation. Dies erfordert neben der Teilnahme am kirchlichen Geschehen auch Sensibilität und echtes Interesse am Menschen und den Herausforderungen seiner Freiheit. In diesem Sinne muss die Verkündigung des Glaubens an den fleischgewordenen Logos Gottes von unserer tätigen Bejahung seines rettenden Wortes begleitet sein: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“[10]

Indem wir uns an die unaussprechlichen Gaben erinnern, die er der gesamten Schöpfung geschenkt hat und weiterhin schenkt, preisen wir unaufhörlich den heiligen und glorreichen Namen des Herrn aller Dinge und Gottes der Liebe, durch den wir den Vater kennengelernt haben und der Heilige Geist in die Welt gekommen ist. Amen!

Im Jahr des Heils 2025, am 1. Juni

In der III. Indiktion

Es soll in den Kirchen während der Liturgie, am Sonntag der heiligen Väter des ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa (01.06.2025), nach dem Evangelium vorgelesen werden.

[1] Apg 2,1.

[2] Metropolit Ioannis Zizioulas von Pergamon, Werke, Bd. 1, Ekklesiologische Studien (griech.), Athen 2016, S. 675-6. 

[3] Mt 22,21.

[4] Athanasius der Große, Rede über die Inkarnation des Logos, PG 25, 192.

[5] Athanasius der Große, Abhandlung über die Synoden zu Rimini in Italien, und zu Seleucia in Isaurien, PG 26, 688.

[6] Patriarchal-Archiv Codex I 94, 10. August 1925, S. 102-3.

[7] Joh 14,9.

[8] Nikolaos Kabasilas, Vom Leben in Christus, PG 150, 680.

[9] Basilius der Große, Das Sechstagewerk, PG 29, 52.

[10] Joh 15,12.

Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios 2025

Protokoll-Nr. 251

 

Osterbotschaft des Ökumenischen Patriarchen

+ Bartholomaios,

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,

und Ökumenischer Patriarch

allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen

von Christus, dem in Herrlichkeit auferstandenen Erlöser

Verehrte Brüder im Bischofsamt und im Herrn geliebte Kinder,

nachdem wir durch Gottes Erbarmen und Kraft das Meer der heiligen Großen Fastenzeit in Gebet und Fasten durchfahren haben und jetzt zum strahlenden Osterfest gelangt sind, preisen wir den Herrn der Herrlichkeit, der bis zu den Kammern des Hades herabgestiegen ist und uns allen durch Seine Auferstehung von den Toten „den Zutritt zum Paradies ermöglicht hat“.

Die Auferstehung ist keine Erinnerung an ein Ereignis der Vergangenheit, sondern der „gute Wandel“ unseres Daseins, „eine andere Geburt, ein anderes Leben, eine andere Lebensweise, die Verwandlung unserer Natur selbst.“[1] Im auferstandenen Christus wandelt sich mit dem Menschen zugleich die ganze Schöpfung. Wenn wir die dritte Ode des Osterkanons „Nun ist alles mit Licht erfüllt, Himmel und Erde und Unterwelt. Alle Schöpfung feiere Christi Erwachen, in dem sie gegründet ist“ singen, verkünden wir damit, dass der ganze Kosmos im abendlosen Licht gegründet und von diesem Licht erfüllt ist. Nicht nur für die Geschichte der Menschheit, sondern für die gesamte Schöpfung gilt die Unterscheidung zwischen „vor Christus“ und „nach Christus“.

Die Auferstehung des Herrn bildet den Kern des Evangeliums, den unumstößlichen Bezugspunkt aller Texte des Neuen Testamentes, aber auch des liturgischen Lebens und der Frömmigkeit der orthodoxen Christen. Tatsächlich ist in dem Bekenntnis „Christus ist auferstanden!“ die ganze Theologie der Kirche zusammengefasst. Die Erfahrung, dass die Macht des Todes vernichtet wurde, ist die Quelle unaussprechlicher, „von jeder Beschränkung dieser Welt befreiten“ Freude. „Alles ist durch die Erfahrung der Auferstehung von Freude erfüllt“. Als Ausbruch „großer Freude“ durchdringt die Auferstehung das ganze kirchliche Leben, das Ethos und das pastorale Wirken, als Vorgeschmack der Fülle des Lebens, der Erkenntnis und der Freude des ewigen Reiches des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Orthodoxer Glaube und Verzweiflung sind nicht miteinander vereinbar.

Das Osterfest ist für den Menschen ein Fest der Freiheit und ein Sieg über die feindlichen Kräfte; es bedeutet die Kirchwerdung unseres Daseins und die Einladung, an der Umgestaltung der Schöpfung mitzuwirken. Die Geschichte der Kirche ist „ein großes Ostern (Pas’cha)“, der Weg „zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.“[2] Die Auferstehung zu erfahren, offenbart uns das Herz und die eschatologische Dimension der von Christus geschenkten Freiheit. Die biblischen Zeugnisse von der Auferweckung des Erlösers offenbaren die Kraft der Freiheit der Gläubigen, in der allein das „große Wunder“, das jedem Zwang unzugänglich bleibt, sichtbar wird. „Denn das Geheimnis der Erlösung gehört denen, die es wählen, und nicht denen, die mit Gewalt dazu gezwungen werden.“[3] Die Annahme der Gabe Gottes als ein „Übergang“ der Gläubigen zu Christus ist die freie existenzielle Antwort auf den liebenden und erlösenden „Übergang“ des Auferstandenen zum Menschen. „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“[4]

Das Mysterium der Auferstehung des Herrn erschüttert auch heute noch die positivistischen Gewissheiten der Gottesleugner als „Leugner der menschlichen Freiheit“, die Verteidiger „der Lüge von der Selbstverwirklichung ohne Gott“ und die Bewunderer des zeitgenössischen „Menschengottes“. Die Zukunft gehört nicht dem Rückzug in eine selbstgefällige, isolationistische und exklusive Diesseitigkeit. Es gibt keine wahre Freiheit ohne Auferstehung, ohne die Perspektive der Ewigkeit.

Eine Quelle österlicher Freude ist für die Heilige Große Kirche Christi in diesem Jahr auch die gemeinsame Feier des Osterfestes in der gesamten christlichen Welt, die zusammenfällt mit dem 1700-jährigen Jubiläum des ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa, das die Irrlehre des Arius, „der die eine Person der Trinität, den Sohn und Logos Gottes herabsetzte“, verurteilt und auch die Art und Weise der Berechnung des Osterfestdatums festgelegt hat.

Das Konzil von Nizäa eröffnet eine neue Periode in der konziliaren Geschichte der Kirche, den Übergang von einer lokalen zu einer universalen Synodalität. Wie bekannt hat das erste Ökumenische Konzil den in der Heiligen Schrift nicht enthaltenen Begriff „homousios/wesensgleich“ in das Glaubensbekenntnis eingeführt. Und dies geschah mit einer eindeutigen soteriologischen Absicht, die von da an zum Wesensmerkmal der kirchlichen Dogmen wird. In diesem Sinn sind die Feierlichkeiten aus Anlass dieses großen Jubiläums keine Hinwendung zur Vergangenheit. Denn der „Geist von Nizäa“ gehört unverbrüchlich zum Leben der Kirche, deren Einheit vom rechten Verständnis und der Entfaltung ihrer synodalen Identität abhängt. Die Rede vom ersten Ökumenischen Konzil erinnert uns an die gemeinsamen christlichen Grundlagen und die Bedeutung des Kampfes gegen die Entstellungen unseres unverfälschten Glaubens und hält uns dazu an, uns der Tiefe und dem Wesen der Überlieferung der Kirche zuzuwenden. Die gemeinsame Feier dieses „heiligsten Osterfestes“ in diesem Jahr verweist auf die Aktualität eines Problems, dessen Lösung nicht nur den Respekt der Christenheit vor den Beschlüssen des Konzils von Nizäa, sondern auch das Bewusstsein zum Ausdruck bringt, „nicht ziemt es sich, dass bei einer so heiligen Feier eine Verschiedenheit herrsche.“

Mit diesen von dem Licht und der Freude der Auferstehung erfüllten Empfindungen und dem Ruf „Christus ist auferstanden!“, welcher die Welt mit Freude erfüllt, lasst uns den großen und heiligen Ostertag durch das Bekenntnis unseres Glaubens an den Erlöser, der im Tod den Tod zertreten und der ganzen Schöpfung das Leben geschenkt hat, durch die Treue zu den ehrwürdigen Traditionen der Großen Kirche und durch die ungeheuchelte Liebe zum Nächsten ehren, auf dass durch uns alle der überhimmlische Name des Herrn der Herrlichkeit verherrlicht werde!

Phanar, Ostern 2025

+ Bartholomaios von Konstantinopel

Euer aller inständiger Fürbitter bei Christus, dem Auferstandenen

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Es soll in den Kirchen während der Osterliturgie nach dem Evangelium vorgelesen werden.

 

[1] Gregor von Nyssa, Rede auf das heilige Osterfest und die dreitägige Feier der Auferstehung Christi, PG 46, 604. 

[2] Röm 8,21.

[3] Maximus d. Bekenner, Kommentar über das Vaterunser, PG 90, 880.

[4] Jo 15,5.

Hirtenbrief zum Beginn der heiligen großen vierzigtägigen österlichen Fastenzeit 2025

Protokoll-Nr. 145

+ Bartholomaios

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,

und Ökumenischer Patriarch

dem ganzen Volk der Kirche

Gnade und Friede von Christus, unserem Erlöser,

von uns aber Fürsprache, Segen und Vergebung

Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, im Herrn gesegnete Kinder!

Durch das Wohlwollen und die Gnade unseres gütigen Gottes treten wir erneut in die Heilige und Große Fastenzeit ein, die gesegnete Zeit des Fastens und der Umkehr, der geistigen Wachsamkeit und des gemeinsamen Weges mit dem Herrn,der zu seinem freiwilligen Leiden schreitet, um zu seiner glorreichen Auferstehung zu gelangen, sie zu verehren und durch sie unseres eigenen „Übergangs“ von den irdischen Dingen zu jenen gewürdigt, die „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist“ (1 Kor 2,9).

In der Alten Kirche war die Heilige und Große Fastenzeit eine Zeit der Vorbereitung der Taufbewerber auf die Taufe, die während der Göttlichen Liturgie der Auferstehung gefeiert wurde. Der Bezug zur Taufe bleibt auch in der Betrachtung und Erfahrung der Großen Fastenzeit als einer Zeit der Umkehr schlechthin erhalten, die als „Tauferinnerung“ und als „zweite Taufe“, als „Bund mit Gott für ein neues Leben“, d. h. als Wiederbelebung der Taufgaben und als Versprechen an Gott, einen neuen Lebensweg zu beginnen, bezeichnet wird. Die Gottesdienste und die Hymnen dieser Zeit verbinden diesen geistlichen Kampf der Gläubigen mit der Erwartung des Osterfestes des Herrn, wobei die vierzigtägige Fastenzeit den himmlischen Duft der Osterfreude verströmt.

Die Heilige und Große Fastenzeit ist eine Gelegenheit, die Tiefe und den Reichtum unseres Glaubens als „persönlicher Begegnung mit Christus“ zu erkennen. Man hat zu Recht gesagt, dass das Christsein „in höchstem Maße persönlich“ ist, ohne dass dies bedeutet, dass „das Individuum im Mittelpunkt steht“. Die Gläubigen „begegnen, erkennen und lieben den einen und einzigen Christus“, der „zuerst und allein ... den wahren und vollkommenen Menschen gezeigt hat“ (Nikolaos Kabasilas). Er ruft alle Menschen zum Heil, und zwar jeden Menschen persönlich, so dass die Antwort eines jeden, die immer „im gemeinsamen Glauben wurzelt“, „zugleich einzigartig“ ist.

Wir erinnern uns an die wunderbaren Worte des Apostels Paulus: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Hier werden „in mir“, „mich“ und „für mich“ nicht als Gegensatz zu „in uns“, „uns“ und „für uns“ verstanden, was das „gemeinsame Heil“ betrifft. Der Apostel der Freiheit, der für die himmlischen Segnungen seiner Wiedergeburt in Christus überaus dankbar ist, „macht sich das Gemeinsame zu eigen“, als ob das vorewige Wort Gottes „für ihn persönlich“ Fleisch geworden, gekreuzigt worden und von den Toten auferstanden wäre.

„Einzigartig“ und „zutiefst persönlich“ ist die Erfahrung unseres Glaubens als eine von Christus geschenkte Freiheit, die zugleich „in ihrem Wesen kirchlich“ ist, eine Erfahrung der „gemeinsamen Freiheit“. Diese durch und durch wahre Freiheit in Christus drückt sich in der Liebe und im praktischen Beistand für den einzelnen Nächsten aus, wie er im Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ (Lk 10,30-37) und im Abschnitt über das Jüngste Gericht (Mt 25,31-46) beschrieben wird, aber auch in der Achtung und Sorge für die Schöpfung und ihren eucharistischen Gebrauch. Die Freiheit in Christus hat einen persönlichen und ganzheitlichen Charakter, der sich besonders in der Heiligen und Großen Fastenzeit in der Art und Weise zeigt, wie wir Askese und Fasten verstehen. Die christliche Freiheit kennt in ihrer existentiellen Authentizität und Vollständigkeit nicht eine düstere Askese, nicht ein Leben ohne Gnade und Freude, „als wäre Christus nie zu uns gekommen“. Und Fasten bedeutet nicht nur „Verzicht auf Nahrung“, sondern „Abkehr von den Sünden“, ein Kampf gegen die Selbstsucht, ein liebevolles Hinausgehen aus uns selbst zu unseren Geschwistern in der Not, ein „Brennen des Herzens für die ganze Schöpfung“. Der ganzheitliche Charakter der Spiritualität wird verstärkt durch die Erfahrung der Fastenzeit als eines Weges hin zum Osterfest und als Vorgeschmack auf die „Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21).

Wir beten zu unserem Erlöser Jesus Christus, er möge uns alle würdig halten, den Weg der Heiligen und Großen Fastenzeit in Askese, Reue, Vergebung, Gebet und göttlicher Freiheit zu gehen, und schließen mit den Worten unseres geistlichen Vaters, des Metropoliten Meliton von Chalcedon ewigen Gedenkens, die er während der Göttlichen Liturgie am Sonntag der Vergebung im Jahr 1970 in der Metropolitankirche von Athen sprach: „Wir treten in die Heilige Fastenzeit ein und an ihrem Ziel erwarten uns die Vision, das Wunder und die Erfahrung der Auferstehung, welche die Erfahrung der Orthodoxen Kirche schlechthin ist. Lasst uns dieser Vision und Erfahrung entgegengehen, nicht ohne um Vergebung zu bitten und ohne selbst Vergebung zu gewähren, nicht nur im Verzicht auf Fleisch und Öl, nicht in Heuchelei, sondern in göttlicher Freiheit, in Geist und Wahrheit, im Geist der Wahrheit, in der Wahrheit des Geistes.“

Heilige und Große Fastenzeit 2025

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel

Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus 2024

Protokollnummer: 870

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen

+ B A R T H O L O M A I O S
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Erbarmen und Friede
von Christus, unserem in Bethlehem geborenen Erlöser

 

Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt und im Herrn geliebte Kinder,

Nach göttlichem Wohlgefallen sind wir auch in diesem Jahr wieder zu dem festlichen Tag der Geburt des Wortes Gottes im Fleisch gelangt – des Wortes Gottes, das auf die Erde gekommen ist und „aus unsagbarer Menschenliebe“ unter uns gelebt hat. Lasst uns in Psalmen und Hymnen und unaussprechlicher Freude das große Mysterium der Menschwerdung feiern – das Mysterium, das „unter allem Neuen das Neueste, das einzig Neue unter der Sonne“ (Johannes von Damaskus, Vom orthodoxen Glauben, PG 94, 984) ist und durch das dem Menschen der Weg zur gnadenhaften Vergöttlichung eröffnet und die ganze Schöpfung erneuert wird. Weihnachten ist kein Fest der Sentimentalitäten, die „schnell kommen und noch schneller vergehen“. Weihnachten ist die existenzielle Teilhabe am ganzen Geschehen des göttlichen Heilswirkens. Der Evangelist Matthäus bezeugt (Mt 1,18-2,23), dass die weltlichen Führer das göttliche Kind von Anfang an beseitigen wollten. Doch für die Gläubigen erklingt zugleich mit dem Gesang des Festes der Fleischwerdung des Sohnes und Logos Gottes, des Vaters, „Christus wird geboren …“ ebenso wie beim Trauergeläut zur Passion Christi stets auch das „Christus ist auferstanden …“, die Frohbotschaft des Sieges über den Tod und der Erwartung der gemeinsamen Auferstehung.

Das „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!“ ertönt wiederum in einer Welt, die von Brutalität, sozialer Ungerechtigkeit und Schändung der Menschenwürde erfüllt ist. Der rasante Fortschritt der Wissenschaft und der Technologie erreicht nicht die Tiefen der menschlichen Seele, da der Mensch immer mehr ist als das, was die Wissenschaft erfassen kann und der Fortschritt der Technologie anstrebt. Die Wissenschaft kann die Kluft zwischen Himmel und Erde im Dasein des Menschen nicht überbrücken.

Heute ist die Rede vom „übermächtigen Metamenschen“, und man preist die künstliche Intelligenz. Natürlich ist der Traum vom „Übermenschen“ nichts Neues. Die Idee vom „Metamenschen“ stützt sich auf den technologischen Fortschritt und die Ausstattung dieses „neuen“ Menschen mit - in der menschlichen Erfahrung und Geschichte erstmalig vorhandenen - Mitteln, die es erlauben, das bis heute geltende Maß des Menschen zu sprengen. Die Kirche ist nicht technikfeindlich. Sie begrüßt die wissenschaftliche Erkenntnis als eine „dem Menschen von Gott gegebene Gabe“, ohne die Gefahren der Verabsolutierung der Wissenschaft zu verkennen oder zu verschweigen. Die Enzyklika des Heiligen Großen Konzils der Orthodoxen Kirche (Kreta 2016) hebt den Beitrag des Christentums „zu einer positiven Entwicklung der Zivilisation“ hervor, denn „Gott hat den Menschen eingesetzt als Hüter der göttlichen Schöpfung und als seinen Mitarbeiter in der Welt.“ Und weiter heißt es ausdrücklich: „Die Orthodoxe Kirche stellt gegen den heutigen „Menschen-Gott“ den „Gott-Menschen“ als das letztgültige Maß aller Dinge. „Wir sprechen nicht von einem Menschen, der Gott wurde, sondern von Gott, der Mensch geworden ist“ (Johannes von Damaskus, Vom orthodoxen Glauben, PG 94, 988)“.

Die Antwort auf die entscheidende Frage, wie bis zum letzten, bis zum „achten Tag“, die „Kultur der Person“, der Respekt vor ihrer Heiligkeit und der Aufweis ihrer Schönheit trotz des Titanentums und des prometheushaften Denkens der technologischen Zivilisation, ihrer Folgeentwicklungen und Dekadenz inmitten einer menschengotthaften Gesinnung des Meta- oder Übermenschen bewahrt werden können, ist ein für alle Mal im Mysterium der Menschwerdung Gottes gegeben worden. Gott, das Wort, ist Fleisch geworden, „die Wahrheit ist gekommen“ und „der Schatten ist vergangen“. Für immer wird das In-der-Wahrheit-Sein des Menschen mit seiner Beziehung zu Gott verbunden sein: als Antwort auf den Abstieg Gottes zu uns und als Erwartung des kommenden Herrn der Herrlichkeit und der Begegnung mit Ihm. Diese lebendige Hoffnung unterstützt den Kampf des Menschen, die Widersprüche und Herausforderungen seines irdischen Lebens zu bewältigen, eines Lebens „vom Brot“ (Mt 4,4), im Sinn des Überlebens in gesellschaftlicher und kultureller Entfaltung. Doch nichts in unserem Leben kann gelingen ohne Bezug zu Gott im Horizont der Fülle des Lebens, der Fülle der Gnade und der Fülle der Erkenntnis „Seines Reiches“. (Alexander Schmemann)

Weihnachten ist eine Gelegenheit, sich das Mysterium der Freiheit Gottes und das große Wunder der Freiheit des Menschen bewusst zu machen. Christus pocht an die Tür der Menschenherzen, doch nur der durch die Gabe der Freiheit geehrte Mensch selbst kann sie öffnen. „Ganz gewiss, ohne Ihn, ohne Christus“, schreibt Vater George Florovsky seligen Angedenkens, „kann der Mensch nichts tun. Und doch gibt es etwas, was allein der Mensch tun kann: dem Ruf Gottes zu folgen und Christus zu ‚empfangen‘“. (George Florovsky)

Für das „Ja“ auf den Ruf, der von oben kommt, offenbart sich Christus als „das wahre Licht“ (Joh 1,9), als „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), als die Antwort auf die letzten Fragestellungen des Geistes, auf die Sehnsucht des Herzens, auf die Hoffnungen des Menschen, aber auch auf die Frage nach dem Woher und Wozu der Schöpfung. Wir gehören Christus. In Ihm ist alles vereint. Christus ist „das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“. (Offb 22,13) In Seiner freiwilligen Fleischwerdung „für uns Menschen und um unseres Heiles willen“ hat Gottes Wort „nicht in einem einzigen Menschen Wohnung genommen, sondern Seine Hypostase mit der Menschennatur bekleidet“ (Nikolaos Kabasilas) und auf diese Weise die gemeinsame ewige Vorbestimmung und die Einheit der Menschheit grundgelegt. Er befreit nicht ein Volk, sondern das ganze Menschengeschlecht. Er durchtrennt nicht nur die Geschichte zu unserem Heil, sondern erneuert die ganze Schöpfung. Nicht nur für die Geschichte, sondern auch für das All gilt endgültig und definitiv das „vor Christus“ und das „nach Christus“. Auf ihrem ganzen Weg in der Welt, in der Geschichte und durch sie zu den Letzten Dingen, zum abendlosen Tag des himmlischen Reiches des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes bezeugt die „nicht aus der Welt stammende“ Kirche die Wahrheit, indem sie ihr heiligendes und geistliches Wirken „für das Leben der Welt“ ausübt.

Brüder und Kinder im Herrn,

indem wir gottergeben unsere Knie beugen vor der das Kind in ihren Armen haltenden Gottesmutter und in Demut den „Logos“ anbeten, der „im Anfang“ war und gleichwohl unsere Gestalt angenommen hat, wünschen wir Euch allen eine gesegnete Zeit der heiligen Zwölf Tage und ein an Licht, Gesundheit, Frieden reiches, an guten Werken fruchtbares und von geistlicher Freude und göttlichen Gaben erfülltes neues Jahr der Güte des Herrn.

 

Weihnachten 2024

 

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel,
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

 

Hirtenbrief Seiner Allheiligkeit zum Gebetstag für die Bewahrung der Schöpfung 2024

Protokoll-Nr. 481

+ Bartholomaios
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch dem ganzen Volk der Kirche
Gnade und Friede von dem Schöpfer der ganzen Schöpfung,
unserem Herrn, Gott und Erlöser Jesus Christus

* * *

Verehrte Brüder im Bischofsamt, im Herrn geliebte Kinder,
Dreißig Jahre sind vergangen, seit die heilige Synode des Ökumenischen Patriarchats den 1. September, das Fest der Indiktion und des Beginns des Kirchenjahres, als Tag des Gebetes für den Schutz der natürlichen Umwelt bestimmt hat. Diese gesegnete Initiative hat ein breites Echo gefunden und reichlich Frucht getragen. Die vielfältigen ökologischen Aktivitäten der Heiligen Großen Kirche Christi konzentrieren sich heute auf das Phänomen des Klimawandels bzw. der Klimakrise, das inzwischen zu einem „Notstand planetarischen Ausmaßes“ geworden ist.
Wir schätzen den Beitrag der ökologischen Bewegungen, die internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt, die Auseinandersetzung der Wissenschaftler mit dem Thema, den Wert der ökologischen Erziehung, die ökologische Sensibilität und die Mobilisierung zahlloser Personen, insbesondere von Vertretern der jungen Generation. Dennoch bestehen wir darauf, dass es einer wirklichen „kopernikanischen Wende“ bedarf, eines grundlegenden weltweiten Mentalitätswechsels, einer substantiellen Revision des Verhältnisses des Menschen zur Natur. Sonst werden wir weiterhin nur die katastrophalen Folgen der ökologischen Krise behandeln, während die Wurzeln des Problems unangetastet und virulent bleiben.
Die Umweltkrise ist nur eine Facette der umfassenden Krise der modernen Zivilisation. In diesem Sinn kann das Problem nicht auf der Basis der Prinzipien dieser Zivilisation gelöst werden, d. h. auf der Grundlage der Logik, die eben diese Zivilisation hervorgebracht hat. Wir haben schon oft und immer wieder unsere Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Kirchen und die Religionen einen bedeutenden Beitrag zu dem für die Zukunft der Menschheit und des Planeten entscheidenden geistlichen und die Werte betreffenden Wandel leisten können. Der genuine religiöse Glaube beseitigt die Überheblichkeit und den Titanismus des Menschen. Er ist ein Schutzwall gegen seine Mutation zum „gottgewordenen Menschen“, der Maße, Grenzen und Werte aufhebt; der sich selbst zum „Maß aller Dinge“ ernennt; der den Mitmenschen und die Natur für die Erfüllung seiner unersättlichen Bedürfnisse und seiner willkürlichen Ziele instrumentalisiert.
Die Erfahrung von Jahrhunderten lehrt, dass die Menschheit ohne einen „archimedischen“ Punkt geistlicher und die Werte betreffender Natur den Gefahren eines nihilistischen „Humanismus“ nicht entrinnen kann. Das ist das Vermächtnis des klassischen Geistes, wie er von Platon durch das Prinzip, nach welchem „der Gott für uns das Maß aller Dinge sein dürfte“ (Die Gesetze 716 C) zum Ausdruck gebracht wurde. Das Konzept des Menschen und seiner Verantwortung innerhalb seiner Beziehung zu Gott ist in der Lehre von der Erschaffung des Menschen nach „Gottes Bild und Gleichnis“ wie auch in der von der Annahme der menschlichen Natur durch das um des Heiles des Menschen und der Erneuerung der ganzen Schöpfung willen Fleisch gewordene vorewige Wort Gottes enthalten. Der christliche Glaube erkennt den höchsten Wert ebenso im Menschen wie in der Schöpfung. In diesem Sinn sind der Respekt vor der Heiligkeit der menschlichen Person und der Schutz der Unversehrtheit der „sehr guten“ Schöpfung untrennbar miteinander verbunden. Der Glaube an den Gott der Weisheit und der Liebe inspiriert und stärkt die schöpferischen Kräfte des Menschen. Er verleiht ihm Kraft angesichts der Herausforderungen und der Schwierigkeiten; das auch dann, wenn deren Überwindung nach menschlichen Maßstäben unerreichbar zu sein scheint.
Wir haben gekämpft und wir setzen uns weiter ein für die innerorthodoxe und innerchristliche Zusammenarbeit zum Schutz des Menschen und der Schöpfung und für die Einbeziehung dieser Thematik in den interreligiösen Dialog und die gemeinsamen Aktionen der Religionen. Wir betonen besonders, dass die gegenwärtige ökologische Krise in erster Linie und am meisten die ärmsten Bewohner der Erde trifft. In dem Dokument des Ökumenischen Patriarchats, das den Titel „Für das Leben der Welt – Soziallehre der Orthodoxen Kirche“ trägt, unterstreichen wir ausdrücklich diesen Aspekt und die notwendige Sorge der Kirche angesichts der Folgen des Klimawandels:
„Wir müssen verstehen, dass der Dienst am Nächsten und die Bewahrung der natürlichen Umwelt eng und untrennbar miteinander verbunden sind. Es besteht eine enge und unauflösliche Verbindung zwischen unserer Sorge für die Schöpfung und unserem Dienst am Leib Christi sowie zwischen den wirtschaftlichen Bedingungen der Armen und den ökologischen Bedingungen des Planeten. Nach Aussagen der Wissenschaftler werden diejenigen, die durch die gegenwärtige ökologische Krise am meisten geschädigt sind, auch weiterhin diejenigen sein, die am wenigsten haben. Die Frage des Klimawandels ist also auch eine Frage des sozialen Wohlergehens und der sozialen Gerechtigkeit.“ (§ 76)
Schließlich wünschen wir Euch, ehrwürdige Brüder und geliebte Kinder, dass das neue Kirchenjahr von göttlichen Segnungen erfüllt und fruchtbar sei, und rufen auf Euch - auf die Fürsprache der allheiligen Gottesgebärerin der Pammakaristos-Ikone - die Leben schenkende Gnade und das unermessliche Erbarmen des Schöpfers aller, des Gottes der Wunder, herab.

1. September 2024
+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter

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